Die Häupter meiner Lieben
wahrscheinlich ziemlich verbittert. Ich konnte nicht ahnen, daß alles noch schlimmer war.
Eines Nachmittags packten wir am Strand langsam unsere sieben Sachen, weil es kühl wurde. Emilia sagte, während sie Kekse an Béla und Pippo verteilte: »Du, Cora, bist Witwe. Maja hat gerade ihren Vater verloren. Aber ihr denkt nicht daran, schwarze Sachen anzuziehen. Ich trage Trauer, seit Alberto tot ist, findet ihr das richtig?«
Wir sagten einstimmig »nein« und bissen weiter in unsere Sandwiches.
Emilia betrachtete unsere weißen Jeans und die bunt gestreiften Baumwollpullis mit Neid. »So etwas könnte ich wahrscheinlich nicht tragen, ich habe zu viel Bauch, aber ein Sommerkleid...«
Cora lachte. »Emilia, du wirst ja ganz mutig!«
Wir zogen gemeinsam in eine Boutique, wo es die Reste des Sommers zu herabgesetzten Preisen zu kaufen gab. Übermütig ließen wir Emilia alles anprobieren, was in ihrer Größe vorrätig war. Sie war nicht eigentlich dick, aber etwas stämmig und kurzbeinig, Hosen standen ihr nicht. Schließlich steckte sie in einem rosa Jungmädchenkleid und sah entzückend aus. Ihr tiefbrauner Teint, der schwarze Zopf und die dunklen dichten Brauen sahen zu dem rosa Traum altmodisch und romantisch aus. »Du erinnerst mich an die Malerin Frida Kahlo«, fand Cora, und Emilia war geschmeichelt, ohne zu wissen, mit wem sie verglichen wurde.
Wir versuchten, Emilia zum Frisör zu schleppen und ihr den Zopf abschneiden zu lassen, aber da hatten wir kein Glück. Sie hatte sowieso Bedenken. »In Florenz kann ich mit diesem Kleid nicht über die Straße gehen, aber hier kennt mich ja keiner.«
Wir kauften ihr weiße Schuhe, die sie auch in Florenz zum Einkaufen anziehen konnte. Cora und ich hatten viel über unsere rosa Wolke zu lachen, aber Emilia war nicht beleidigt. Sie fand es lustig, nun auch zu den jungen Mädchen zu gehören.
Nur einmal bekamen Emilia und ich Streit mit Cora, weil sie einen angeschwemmten Schweinskopf ins Auto packen wollte.
»Nature morte soll man wörtlich nehmen«, behauptete sie. Aber angesichts des Gestanks gab sie nach.
Unser Einfluß auf Emilia hatte sich rein optisch niedergeschlagen: rauchend lag sie im rosa Kleid und mit nackten Beinen am Strand. Umgekehrt gab es aber auch eine Strömung: Emilia versuchte, uns zu erziehen. Wenn wir lässig sagten: »Gib mir mal die Zeitung«, reagierte sie so lange nicht, bis sie das erforderliche »bitte« vernahm. Was das Betrügen, Ehebrechen und Erschlagen anbelangte, hatte sie keine Vorurteile, aber wehe, wenn Cora »Scheiße« sagte.
Ein paar Tage später fing es an zu regnen. Wir saßen im Hotelzimmer herum und beschlossen, nach Hause zu fahren. Der Wetterbericht verhieß für die nächsten Tage nichts Gutes. Zuerst saß Cora am Steuer, damit wir zügig vorankamen, ich neben ihr, Emilia hinten bei Béla und Pippo. Schließlich wurde es Emilia übel, weil Cora einen rasanten Fahrstil bevorzugte. Wir tauschten: ich fuhr, Emilia durfte auf den Beifahrerplatz, und Cora versuchte, im Kindernest zu schlafen. Aber plötzlich hörte ich sie sagen: »Halt an!«
Im Regen tauchte eine Gestalt mit Rucksack und abgeschnittenen Jeans auf. Ein nasser junger Mann stieg erfreut hinten ein. Ich hatte ihn nicht genau angesehen, aber beim flüchtigen Taxieren hatte mich irgend etwas an Jonas erinnert. Nicht jener Jonas, der als Pharmareferent im Anzug aufgetreten war, und auch nicht der hart arbeitende Bauer, sondern der verwilderte Jonas aus dem Wohnwagen, mit Bart und stinkigen Turnschuhen, in den ich mich verliebt hatte.
Hinten sprachen sie englisch oder jedenfalls etwas in dieser Richtung. Ich spitzte die Ohren. Der junge Mann hieß Don und stammte aus Neuseeland. Er war schon lange auf Reisen und hatte Asien bereits abgegrast.
Emilia schüttelte den Kopf und schimpfte leise auf italienisch; ich hoffte, Don verstehe es nicht. Nach einer Stunde angestrengten Fahrens im heftiger werdenden Regen sah ich im Rückspiegel, daß Cora entspannt an Dons Brust lehnte und schlief. Pippo lag auf ihrem Schoß, Béla war schon längst durch das eintönige Fahrgeräusch und den tickenden Scheibenwischer eingelullt worden. Don strich Cora zärtlich übers rote Haar. Vielleicht war es diese kleine Geste, die in mir zum ersten Mal ein neues und zugleich uraltes Gefühl erweckte: Eifersucht.
Emilia witterte dank ihrer Lebenserfahrung sofort, daß dieser fremde Mann im warmen Auto, naß und schmutzig, Unfrieden garantierte. Cora bot sich nicht mehr an, mit
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