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Die Häupter meiner Lieben

Die Häupter meiner Lieben

Titel: Die Häupter meiner Lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Noll
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lautloses feenhaftes Feuerwerk, und wer es erlebt hat, macht die Erfahrung, daß die schönsten Dinge gratis zu haben sind.
    Manchmal, wenn ich im abendlichen Garten von Fledermäusen umfegt werde und die Bäume einen süchtig machenden Duft ausströmen, wenn »ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht«, dann packt mich die Sehnsucht nach Liebe. Und erstaunlicherweise fällt mir Don ein, dieser hergelaufene Lump.
     
    Als Cora uns damals verließ, um Farbe zu kaufen, hatten wir in der Küche am wärmenden Herd gesessen. Emilia spülte, Béla schlug mit dem Schneebesen auf eine Blechschüssel. Pippo lag neben ihm und zerrupfte eine Zeitung.
    »Komm, wir trinken einen Grappa«, sagte ich zu Don, und wir gingen ins Wohnzimmer. Hier war es ziemlich kalt; die Handwerker hatten den Boiler ausgewechselt und die Heizung abgeschaltet. In der Küche wurde mit Holz und Kohle geheizt, aber ich mochte nicht in der Familienidylle bleiben.
    Don fröstelte. »Oben in meinem Zimmer ist es warm«, sagte er und meinte Coras Atelier, wo ein elektrisches Öfchen stand.
    »Wo ist sie hingefahren?« fragte er.
    »Farben kaufen, sie braucht Rot und Weiß, um Inkarnat zu mischen.«
    »Was ist das?«
    »Die Farbe für Haut, für Fleisch«, sagte ich, weil mir nicht einfiel, wie Teint auf englisch hieß.
    »Du hast ein wunderschönes Inkarnat«, sagte er und griff nach meiner Hand.
    Ich entzog sie ihm etwas zu lahm. Don sagte: »Sie hat die Kohle, nicht wahr? Das Haus und alles gehört doch ihr? Was mußt du dafür tun, daß du hier lebst?«
    »Ich bin nur zu Besuch hier, wir sind alte Freundinnen.« Was ging ihn das überhaupt an? Ich ärgerte mich. Aber er wurde frecher.
    »Was müßte ich wohl tun, damit ich bei euch bleiben kann?«
    »Ich denke, du willst Europa kennenlernen...«
    »Natürlich, aber für Florenz sollte man sich Zeit lassen, stimmt's?«
    Cora kam herein, sah uns mit Mißfallen nebeneinander auf dem Sofa sitzen und kommandierte scharf: »An die Arbeit!« Don mußte liegen und seinen Kopf einem imaginären Schwert darbieten. Ich ging in die Küche zurück.
    Emilia sah mein unfrohes Gesicht und sagte: »Schmeißt ihn raus!« Wiederholt murmelte sie: »Diavolo« und schlug ein Kreuz, obgleich sie nie in die Kirche ging.
    Um sie aufzumuntern, sang ich ihr deutsche Lieder vor. Béla schlug dazu die Trommel.
    »Alberto«, sagte Emilia und ließ eine Träne ins Spülwasser tropfen.
    »Na komm«, sagte ich, »wir gehen mit den Kleinen noch ein bißchen an die Luft.«
    Emilia zog rasch das rosa Kleid aus und ein schwarzes an, dann machten wir uns auf die mühselige Kind-Hunde-Tour.
     
    Als wir heimkamen, sollte ich Coras Skizzen für ein Ölbild begutachten. Dons Kopf lag, gut getroffen, in einem Korb, der einer Hausfrau am Arm hing, als wäre sie eben vom Markt gekommen. Don deutete an, daß er erwartet hätte, nicht bloß als Haupt, sondern als Aktmodell zu dienen.
    »Na?« fragte Cora.
    »Deine Bilder haben einen entscheidenden Fehler«, sagte ich, »du wirst sie kaum ausstellen können.«
    Sie fand, daß es einem Künstler nicht auf materiellen Erfolg ankommen dürfe. »Die Bilder, auf denen man deinen Vater oder Henning erkennen kann, werde ich bestimmt geheimhalten. Aber wer kennt schon Don?«
    »Ich finde es ebenso unangebracht, wenn man mich als Judith oder Salome identifiziert.«
    Das Abendessen verlief ganz gemütlich, Emilia verzog sich mit Béla und Pippo; wir tranken Bier, und Don erzählte von Nepal. Ich ging relativ früh zu Bett.
    Eine Berührung weckte mich aus tiefem Schlaf. Don lag neben mir im Bett. Mir fehlten die englischen Schimpfwörter. »Hau ab, Drecksack«, oder so ähnlich sagte ich. Er küßte mich auf meinen ausgetrockneten Mund, und ich wurde richtig wach. »Verpiß dich, hab' ich gesagt, geh zu Cora und laß mich in Ruhe«, fauchte ich.
    »Sie mag mich nicht, sie hat mich weggeschickt«, behauptete er. Es ist mir peinlich, aber mein Widerstand war nicht überzeugend, und schließlich blieb er.
    Als ich am nächsten Morgen die Augen öffnete, stand Cora vor meinem Lager und betrachtete uns mit unheilverkündender Miene. »Und so etwas füttert man durch«, sagte sie. Auch Don wurde wach und floh nackt aus dem Bett ins Bad.
    »Er hat gesagt, du willst ihn nicht.« Es klang kläglich.
    »Der Saftsack lügt«, sagte Cora, »wieso glaubst du ihm?«
    »Ich habe ihn nicht eingeladen, er hat mich mitten in der Nacht überrumpelt. Am besten, wir schmeißen ihn sofort raus.«
    »Das geht nicht mehr, ich brauche

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