Die Häuser der anderen
Farbkasten besäße. Frank haben zuletzt drei Fitnessstudios gehört; wir hätten die wieder hochgewirtschaftet. Und was habe ich jetzt? Aber was sollen solche Gedanken. Vergiss sie, sage ich mir.
Das ist das Problem beim Spazierengehen, man kommt auf alles Mögliche. Ich will mir eine Zigarette anzünden, lasse sie aber leider fallen.
Benno hat sich in ein Gesträuch geschlagen und kreiselt um eine Stelle, geht dann auf seine spezielle Art in die Hocke, um sein Geschäft zu machen. Instinktiv drehe ich mich kurz um, völlig idiotisch.
Ich zünde die nächste Zigarette an, sogar an der richtigen Seite. Die Packung ist jetzt leer.
Ich hätte an neue denken sollen, hätte mir an einer der Trinkhallen einen kleinen Wodka für den Weg holen müssen, denke ich, wäre besser gewesen. Auch wenn es nicht meine Stammbuden sind, sondern die mit den echten Pennern. Mein Kioskmann verkauft auch viel Eiscreme und Zeitungen; es ist ein hübscher Kiosk. Zu den Trinkhallen würde nie ein Kind laufen, um sich ein Eis am Stiel zu holen, an meinen Kiosk schon. Mir ist langsam wieder nach einem Schluck zumute.
Benno kommt zu mir und will eine Belohnung fürs Haufenmachen. Was für blöde Sachen Luisa ihm beigebracht hat.
»Ich habe leider kein Leckerli, Süßer, später, ja?«
Mir fällt ein, dass ich zu Hause auch keine Leckerli mehr habe. Genau genommen überhaupt kein Hundefutter mehr. Gestern hat er kaum etwas bekommen. Ich muss noch zu Aldi. Aber ich wollte sowieso zu Aldi – meine eigene Belohnung holen. Noch fünf Minuten, dann gehe ich. Als ich an meine Belohnung denke, geht es mir gleich besser. Noch fünf Minuten. Komm, das schaffst du. Da fällt mir etwas ein. Ich habe den Parka noch nicht gecheckt. Da ich hier immer die Flachmänner in den vielen Innen- und Außentaschen versenke, kommt es vor, dass ich einen vergesse. Ich krame herum, finde zuerst meine Schlüssel, ein riesigen, schweren Bund, dann den Drahtring, an dem Luisas Hausschlüssel und der kleine Briefkastenschlüssel baumeln. Ah, da ist er also. Erleichterung. Ich finde Münzen, Feuerzeuge, ein gelbes Reclamheft, aus dem ich die Seiten zum Tütenbauen reiße, Zigarettenkrümel, zwei zerknüllte Fünfeuroscheine, einen leeren Flachmann – und einen vollen. Kein Korn, es ist Wodka, der gute Gorbatschow. Meine Güte, ich reise mit einem 0,2er Spitzengetränk durch die Gegend und tue mir Entzugserscheinungen an. Ich schraube auf, höre das leise Klicken, als der blaue Metallverschluss reißt und ich das Fläschchen aufdrehen kann. Klick – das ist große Oper. Ich lasse den Deckel einfach fallen. Werfe den Kopf nach hinten und nehme einen großen Schluck, bloß nichts schmecken, mir wird sonst schlecht. Dann Pause, atmen und die aufkommende Übelkeit niederkämpfen. Wäre zu schade, das jetzt wieder auszuspucken. Okay, es geht. Noch einmal das Gleiche. Kurz warten, was passiert. Ich weiß ja, was passiert, und es ist gut so. Die Wärme dringt augenblicklich durch den Blutstrom, ich kann es in den Adern fühlen. Mein Kopf wird warm und größer, realer. Die Umgebung verändert sich, verschwimmt leicht, wird dafür dreidimensionaler. Es ist, als hätte ich vorher in einem miesen Foto gestanden, und jetzt bin ich eine Figur in einem perfekten, nur eben sehr dunklen Aquarell. Ich erinnere mich an die Ausstellung von einem Typen, in die Luisa mich geschleppt hat, ungefähr um die Zeit, als sie mir den Job als Kartenabreißerin in der Schirn besorgt hat. Jahre her. Es waren keine Aquarelle, es waren einfach schwarze Bilder. Und doch war schwarz nicht einfach schwarz; man konnte beim genauen Hinsehen Figuren drin erkennen. Solche Dinge kommen aus meinem Gedächtnis hoch, wenn ich exakt die richtige Menge getrunken habe, dann sind weder Vergangenheit noch Zukunft ein Problem. Und was will man mehr. Ich sehe mein Leben wie einen spannenden Krimi. Es ist nicht mehr gut oder schlecht, es ist einfach erstaunlich. Alte Leute, die den ganzen Tag am Fenster sitzen und rausgucken, die sehen sicher auch solche Filme.
Ich rufe Benno, nur um zu sehen, ob er hört, und er hört auf mich, ist das nicht herrlich, der Hund lässt sich von mir rufen. Weil er nun vor mir steht und guckt, was ich von ihm will, suche ich im Gras nach einem Stöckchen und werfe es für ihn. Es kommt mir vor, als täte ich alles in Zeitlupe, und vielleicht ist es auch so. Der Hund zögert, bevor er losgaloppiert, er merkt, es wäre besser, bei mir zu bleiben, falls ich auf Ideen komme.
»Aber tue
Weitere Kostenlose Bücher