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Die Häuser der anderen

Die Häuser der anderen

Titel: Die Häuser der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Scheuermann
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Franks Tod immer noch alle Zimmer nach ihm durchsucht hat. Mir steigen die Tränen in die Augen. Reiß dich zusammen, Mensch. Ich ziehe hinter mir leise zu. Kurz darauf fällt auch drüben die Tür ins Schloss.
    Ich sammle die Post, die durch den Briefkastenschlitz gefallen ist, vom Boden auf und lege sie auf den Telefontisch. Mir haben sie auch eine Karte geschrieben. Habe sie vor zwei Tagen bekommen, aus Seattle. Luisas schwungvolle Handschrift, die mich und Benno grüßt. Sie hat mit dem Reisefüllfederhalter geschrieben. Den hat sie mir vor der Abreise gezeigt. Reisefüllfederhalter. Manchmal verachte ich sie. Wie an dem Tag, als sie mir die neu gestaltete Wohnung zeigte und immer wieder diese Namen sagte: Stanislassia Klein, Philippe Starck, Marcel Breuer, Ettore Sottsass, Joe Colombo, sie hat sie immer wieder runtergebetet. Wenn Christopher sagt, er sei müde, sagt sie nicht, »dann leg dich doch ein bisschen hin«, sondern »dann lege dich doch eine Weile auf die Marcel-Breuer-Liege«. Und trotzdem zieht es mich immer wieder in ihre Nähe.
    Die Post liegt also auf dem Stanislassia-Klein-Telefontisch, und ich gehe endlich ins Wohnzimmer. Dimme das Licht und mache links und rechts am Fenster die Philippe-Starck-Leuchten an. Alles ist in Weiß gehalten, weiße Ledersofas, weiß blühende Blumen auf dem Fensterbrett, aber es gibt einige kleine Farbtupfer, in den riesigen weißen Bücherregalen bis an die Decke stehen beispielsweise nicht nur Bücher mit weißen Rücken, obwohl das Luisa sicher gefallen hätte. Außerdem gibt es einen Orientteppich, auf dem ein Couchtisch aus den 50er Jahren steht. Luisa hat mir erzählt, die Innenarchitektin sei sehr zufrieden gewesen. Natürlich ist diese Architektin eine Freundin von Luisa und hat sie nur »unterstützt«. Trotzdem, ich wette, sie hat das meiste hier angeschafft. Muss bei der Arbeit die ganze Zeit ein feuchtes Höschen gehabt haben. Macht sicher Spaß, das Geld anderer Leute auszugeben. Benno, der sich auf das weiße Sofa gelegt hat, wo er die weiße Kaschmirdecke als Kopfkissen benutzt, ist das einzig Lebendige in diesem Raum. Sieht mich, springt auf und rennt vor mir in Richtung Küche, wobei er sich immer wieder umsieht, ob ich ihm auch folge.
    »Ich komm’ schon, Süßer.«
    In der Küche, in der alles auch entweder weiß oder aus hellem Holz ist, geht er in seine Ecke und stellt sich demonstrativ vor seinen leeren Napf. Guckt abwechselnd mich und den Napf an. Ich gebe ihm Wasser und öffne eine der Bio-Hundefutterdosen.
    Der Kühlschrank steht offen, er ist abgetaut. Mehrere Weinflaschen liegen in einem eigens dafür angefertigten Gerüst. Aber ich fasse sie nicht an. Habe keine Lust, in der Weinhandlung Dreißig-Euro-Flaschen nachzukaufen. Schaue nur vorsichtig, ob welche mit Schraubverschluss dabei sind. Zwei. Das ist natürlich was anderes. Kann ich billigeren Wein hineintun, morgen oder übermorgen, sie kommen erst in ein paar Wochen wieder. In diesen Tagen müssten sie von Vancouver aus Richtung Alaska in See stechen. Luisa hat mir erzählt, dass sie unbedingt DelfinCarpaccio essen will. Ich habe ihr geantwortet, dass es sicher ziemlich klug macht, so intelligente Tiere zu essen. Da hat sie nicht recht gewusst, ob ich einen Witz mache oder nicht. Ich weiß es auch nie in solchen Fällen. Was sagen ihre anderen Freundinnen, können die sagen, sie haben das schon probiert? Luisa hat viele Freundinnen.
    Ich öffne eine Flasche. Der Wein schmeckt mir. Weiß, kühl, weil die Küche kalt ist. Er ist fruchtig und riecht ein wenig nach Johannisbeere. Wenn man solchen Wein trinkt, ist man keine Alkoholikerin. Man hat einfach nur Stil. Benno hat den Napf in zehn Sekunden geleert und versucht jetzt, die leere Schüssel mit der Schnauze zu mir hinzuschieben. Vielleicht habe ich gestern doch vergessen, ihn zu füttern. Ich öffne noch eine Dose, diesmal mit Huhn.
    »Guck mal, Hühnchen mit Gemüse, das ist fein, was? Feiner Hund.«
    Während er frisst und dann pappsatt und mit geblähtem Bauch zurück auf seinen Platz im Wohnzimmer wankt, schenke ich mir noch ein Glas Wein ein. Mit dem Glas spaziere ich herum. Stelle mir vor, ich sei Luisa und würde hier wohnen. Ich würde in Bildbänden blättern und wichtige Sachen darüber schreiben, so wichtig, dass alle Leute, die das Bild anschauen, nachdem sie meinen Aufsatz gelesen haben, denken, sie hätten keine eigenen Augen im Kopf. Im letzten Jahr vor seinem Tod, als Frank sein drittes Fitnessstudio eröffnete und

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