Die Haie vom Lotus-Garten
weißem Schal. Ja, der sei garantiert weiß
gewesen. Die Joppe könnte aber auch eine Lederjacke gewesen sein — vielleicht
in Schwarz. Immerhin war Ewald Brillenträger und hatte Probleme mit den Farben.
Vermutlich sah er die Welt als Schwarzweißfilm.
Karl, Klößchen und Gaby hatten
ausgiebig in den BMW geäugt, der allerdings abgeschlossen war.
„Von einer Tasche keine Spur“,
sagte Gaby.
Tim trat hinter den Wagen und
gebrauchte völlig unauffällig einen speziell gebogenen Haken an seinem
Taschenmesser, dem zwölfteiligen.
„Aber der Wagen ist doch gar
nicht abgeschlossen“, rief er und klappte den Kofferraum auf.
Der war leer, abgesehen von
Verbandskasten und kleinem Schneebesen.
Glockner warf Tim einen
vielsagenden Blick zu — von der Art Mich-kannst-du-nicht-täuschen-du-Troublemaker
— und durchsuchte dann den Wagen vorn. Aber auch dort war die Tasche nirgends
versteckt: das Wageninnere roch nach fellnassem Dackel und einem süßlichem
Parfüm.
Ewald Speichensplitter wurde
gelobt, dann durfte er gehen. Zu seinen jungen Freunden sagte Glockner: „Die
Beschreibung paßt verflucht gut auf Bruno Zapp, den Maulwurf-Bankräuber von
Schneider und Pleitzke. Damit wäre deine Überlegung bewiesen, Tim. Zapp war
beim Parkhaus, hat alles beobachtet und ist der Frau dann gefolgt.“
„Tja“, sagte Tim, „aber
irgendwie stimmt es zeitlich nicht ganz — ich meine das Verhalten des
Kleinwagens mit der scheppernden Stinkvorrichtung. Als der abfuhr, war die
BMW-Fahrerin schon über alle Berge. Doch hier muß es Schlag auf Schlag
zugegangen sein. Wieso hat er, der Zapp, sie so rasch gefunden?“
„Vielleicht kannte er sie“,
sagte Karl, „und hat gewußt oder geahnt, daß sie hierher fahren wird.“
„Das ist zwar nicht unmöglich“,
meinte Gaby, „aber doch unwahrscheinlich.“
„Vor allem müssen wir
feststellen, wer die Frau ist“, sagte Glockner, wandte sich zum Eingang und
wollte wahrscheinlich den Herrn Erwin S. Polluk anrufen.
Im selben Moment hörte Tim den
Kleinwagenmotor und den scheppernden Auspuff. Dem TKKG-Häuptling stellten sich
die Nackenhaare auf. Sofort sprang er, todesmutig bis in die Knochen, in die
Straßenmitte und stellte sich mit erhobener Hand gebieterisch ins Licht der
funzelnden Scheinwerfer.
Ein dunkler Kleinwagen, aus der
Gegenrichtung kommend, hielt. Am Lenkrad ein junger Mann, der jetzt verblüfft
durch die Windschutzscheibe äugte.
Glockner hatte begriffen, trat
zur Fahrertür und zeigte abermals seine Polizeimarke vor.
Dem Kleinwagenfahrer fuhr der
Schreck ins Blut.
„Aber... ich bin völlig
nüchtern“, stammelte er. „Nur der eine Glühwein. Ist doch Advent. Und ich fahre
ja vorsichtig.“
Darum ginge es nicht, erklärte
Glockner, hieß ihn aussteigen, durchsuchte kurz den Wagen und blickte auch in
den Kofferraum, wo allerdings Koffer keinen Platz hatten, sondern allenfalls
Taschen. Aber die gesuchte war nicht drin — nur ein leerer Rucksack.
Der Typ, dachte Tim, verfolgt
niemanden — jagt nach keiner Beute und macht auch keinen Überfall.
Scheibenkleister! Meine schöne Idee ist wohl doch nur ‘ne Seifenblase.
Christian Leppig war
Theologie-Student, hatte eben für eine Viertelstunde seine Mutter besucht — die
am Ende der Straße wohnte — und vorhin tatsächlich in der Berliner Straße
geparkt, unweit vom Parkhaus. Er hatte dort auf seine Freundin gewartet, die
aber nicht kam. Leppig war die Harmlosigkeit selbst. Doch Glockner entließ ihn
nicht gleich.
„Vielleicht, Herr Leppig, haben
Sie eine Beobachtung gemacht, während Sie dort warteten. Denn Sie konnten zur
Ausfahrt des Parkhauses sehen.“
Der Student nickte. „Ja, das
konnte ich.“
„Haben Sie gesehen, wie ein
roter BMW herausfuhr?“ Leppig blickte zu dem betreffenden Fahrzeug hin. „Ja,
habe ich. War es der hier?“
„Vermutlich.“
„Ich glaube, er war’s. Ich habe
zwar nicht konzentriert aufs Kennzeichen geachtet. Aber das CL darin ist mir
aufgefallen. Sind ja meine Initialen ( Anfangsbuchstaben ).“
„Wunderbar!“
„Ach. JC oder so — wäre mir
lieber.“
„Ich meine Ihre Aufmerksamkeit.
War sonst noch was, als der BMW rausfuhr?“
„Kurz darauf kam ein
Motorradfahrer aus dem Parkhaus. Er fuhr in dieselbe Richtung.“
„Können Sie den Mann
beschreiben?“
„Ein harscher Typ. Einer, der
ganz sicher keine Kirchensteuer entrichtet. Er trug Jeans, schwarze
Motorradjacke aus Leder und hatte seinen Helm noch nicht aufgesetzt, tat’s aber
dann. Ich glaube,
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