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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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kämmte, Streßfalten im Gesicht und
nikotinbraune Zähne. Sein Winter-Trenchcoat sah aus, als schliefe er darin.
    „Hallo!“ Er fletschte die
Zähne. „Da bin ich ja noch rechtzeitig vor Ort — für ein Interview.“

    Kommissar Glockners Blick
verriet nichts Gutes. Und den TKKG-Kids eisten die Mienen ein. Tim hatte
unwillkürlich eine Faust geballt. Aber Prügelei war nicht angesagt — schon gar
nicht in Gegenwart von Gabys Vater, der ja Recht und Gesetz vertritt und nicht
Selbstjustiz, die aber manchmal das einzige Ventil zu sein scheint für
Empörungsgefühle und/oder gesunden Menschenverstand.
    „Wir kennen uns, Herr Proit“,
sagte Glockner. „Sie sind uns schon mehrmals in die Quere gekommen, wenn Sie —
verbotenerweise — den Polizeifunk abgehört haben. Um der erste am Tatort zu
sein — ohne Rücksicht auf zertrampelte Spuren. Aber heute sind Sie zu weit
gegangen. Sie haben eine unbekannte Frau in Gefahr gebracht — nämlich die im
roten BMW. Durch ihre idiotische Durchsage ist ihr jetzt vermutlich jeder
geldgierige Gesindeltyp der Stadt auf den Fersen. Für Sie wird das ein
Nachspiel haben. Und jetzt verschwinden Sie! Hier liegt nichts für Sie vor.“
    Proit glubschte, als wäre ihm
soeben gekündigt worden. „Äh... Sie behindern mich in der Ausübung meines
Berufs, Herr Kommissar. Außerdem habe ich doch nur...“
    „Ich ersuche Sie ausdrücklich,
hier zu verschwinden! Sofort!“
    Glockners Stimme wurde schärfer
als der Nachtwind.
    „Jaja, schon gut! Vielleicht
finde ich sie selbst. Ich habe nur meine journalistische Pflicht getan.“
    Murrend stieg er in seinen
Kombi und fuhr ab.
    Gaby kuschelte sich an ihren
Papi.
    „Super! Den hast du
abgehalftert.“
    Glockner lächelte. „Es wird ihn
nicht hindern, bei nächster Gelegenheit wiederum gewissenlos vorzugehen.“
    Tim fühlte sich trotz seiner
Jugend wie 100 Jahre Erfahrung und meinte wissend: „Der Journalismus ist heute
auch nicht mehr das, was er mal war: exakte Berichterstattung, durchdachte
Meinungsäußerung und vor allem tiefschürfende Aufdeckung von Mißständen, Korruption
und Übeltaten. Journalisten waren mal die Wächter der Demokratie. Heute sind
die meisten — zum Glück nicht alle — nur noch sensationsgeile
Auflagenhochputscher. Tratsch. Klatsch und Schlüssellochguckerei bei Models und
Königskindern. Massenjournalismus für Vollidioten. Und viele Fernsehsender
gehen da munter voran. Nur noch die Einschaltquote entscheidet. Egal, mit
welchen Mitteln sie erreicht wird.“
    „Wohl war“, nickte Klößchen.
„Neulich war eine Talkshow einem 40jährigen Mann gewidmet. Er hat sich als
Hosenscheißer geoutet. Das ist sein Beruf. Er testet nämlich Windeln. Eine
Expertenkommission war dabei. Die haben ernsthaft sein Seelenleben untersucht.
Wie er sich seiner Frau und seinen Kindern gegenüber verhält — mit diesem Beruf
am Hals, nein, am Hintern. Und wie er Freunden und Bekannten den Job erklärt.“
    Alle grinsten.
    Karl öffnete schon den Mund, um
auch seinen Senf dazuzugeben. Aber in Glockners Wagen zirpte wieder das
Sprechfunkgerät. Und die Kids sahen zu, wie der Kommissar die Mitteilung entgegennahm
— offensichtlich alarmiert, aber zugleich auch erleichtert.
    „Verstanden. Ich fahre hin“,
sagte er und legte auf.
    Er kam zurück.
    Die Kids blickten
erwartungsvoll.
    Ob die Durchsage was mit
unserem Problem zu tun hat? überlegte Tim.
    Glockner sagte: „Ich muß sofort
los. Ihr könnt mitkommen. Laßt die Tretmühlen hier. Einsteigen! Schnell! Wir
fahren zur Boraner Straße. Möglicherweise finden wir die BMW-Fahrerin dort.“
    In Sekundenschnelle ketteten
Tim, Karl und Klößchen ihre Bikes an einen Laternenpfahl. Dann saßen alle im
Wagen; und Glockner fuhr los, nachdem er den Blaulichtsockel, der über einen
Magnetfuß verfügt, aufs Dach gestellt hatte.
    Keiner der Kids fragte. Das war
auch nicht nötig. Gabys Vater stillte die stumme Neugier, während er den Wagen mit
hohem Tempo um die Kurven jagte.
    „Ein Zeuge hat was beobachtet,
hat im Präsidium angerufen, aber seinen Namen so genuschelt, daß er nicht
verstanden wurde. Ist auch nicht so wichtig. Wichtig ist, was er sah, nämlich
wie ein Mann in ein Bürohaus eingedrungen ist. Er hat die gläserne Eingangstür
eingeschlagen. Interessant ist: Vor dem Gebäude parkt ein roter BMW, ein
älteres Modell. Das paßt doch zusammen, wie?“
    „Wie die Faust aufs Nasenbein“,
sagte Tim. „Fehlen nur noch die Frau, der Dackel und die Tasche mit der

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