Die Haie vom Lotus-Garten
Misthaufen.
Beate griff sich mit beiden
Händen ins Blondhaar. In die Kulleraugen trat ein entschlossener Ausdruck. Auch
der Mund, dessen Lippenstiftbelag längst abgelutscht war, versuchte sich in
trotziger Strenge.
„Ich habe die Lösung“, sagte
Beate feierlich und langte mit einer Hand hinter sich, wo die Geldtasche stand.
„Es tilgt zwar nicht alle eure Schulden, aber einen schönen Teil. Und die Haie
werden froh gestimmt und sehen euren guten Willen. Immerhin sind 80 000 kein
Pappenstiel.“
„Was meinst du damit?“ rief
Gotti, der genau wußte, was sie meinte.
„Ich meine, ich gebe euch das
Bankräubergeld. So erfüllt es einen guten Zweck. Ihr liefert es ab bei den
Haien im Lotus-Garten. Am besten, wir fahren sofort hin.“
Michi begann wieder zu heulen.
„Das... das... können wir nicht annehmen.“
„Doch, wir können“, rief Gotti.
„Man muß sich dazu überwinden, Michi. Auch wenn’s schwerfällt. Im übrigen,
Beate, sind wir vorhin sowieso nur hierher gedüst, um... um dir zu helfen, will
ich sagen, als wir im Radio die Durchsage hörten. Wir dachten, du könntest das
sein — wegen der Gesamtbeschreibung, und wollten uns tollkühn einsetzen zu
deinem Wohl. So wäscht nun eine Hand die andere, aber du hast die Seife. Danke,
Beate! 80 000 mal danke!“
„Schon gut“, meine Beate. Sie überlegte,
ob sie nicht wenigstens einen Tausender für sich und Erwin abzweigen sollte.
Sozusagen als Schmerzensgeld. Aber dann schob sie diese gedankliche Verführung
weit von sich.
Michi konnte nicht mehr fahren.
Tränen trübten ihr die Sicht. Gotti und Michi tauschten die Plätze.
Der Zündschlüssel kratzte im
Schloß. Irgendwann sprang der Motor an, ärgerlich hustend wegen dieser
Zumutung.
Noch eine Runde um den
Kaiserlichen Exerzierplatz. Dann lenkte Gotti die K.-o-Tropfenlaube in Richtung
Rappelherz Straße, zum LOTUS-GARTEN — aber nicht um Beijing Kao Ya zu mampfen,
die berühmte Ente Peking, sondern um einen ganz schlimmen Fehler zu begehen.
15. Gefälschte Karten
Es war spät geworden. Eisiger
Hochnebel legte sich auf die Millionenstadt. Die Jungs brachten Gaby und Oskar
nach Hause. Tim hatte seiner Herzallerliebsten den Wollschal schützend vor Mund
und Nase drapiert, sanft geschlungen, damit die Kälte nicht in die oberen
Atemwege eindrang.
„Danke!“ meinte Gaby. „Aber ich
kann mich schon selber anziehen.“
„Wer hätte das gedacht!“ feixte
Klößchen.
„Du kannst es nicht“, gab ihm
Gaby zurück. „An deinen verschlafenen Tagen trägst du die Hose verkehrt herum.“
„Und im Bedarfsfall“, griente
Karl, „sucht er dann panisch nach dem Reißverschluß. Aber der ist hinten.“
„Hahahah!“ meinte Tims dicker
Freund und schob sich einen Riegel Schokolade in den Mund.
Tim fuhr dicht neben Gaby,
hatte den Arm um ihre Schultern gelegt und ordnete seine Gedanken. Übermäßig
toll ist es nicht gelaufen, stellte er fest. Wir hatten die Bankraubbeute. Aber
sie wurde mir abgejagt. Aus übergroßer Vorsicht habe ich die Kohle in der
Tasche gelassen — weil ich da noch glaubte, Gaby wäre gekidnappt. Frank Plunder
ist überführt und gefaßt. Aber Bruno Zapp erfreut sich der Freiheit. Beate
Kottke ist verschüttgegangen. Über ihrem Schicksal hängt ein Fragezeichen wie
das berühmte Damoklesschwert (sprichwörtlich für die im Glück stets drohende
Gefahr). Vielleicht hat sie die Tasche noch und verkriecht sich irgendwo.
Auf jeden Fall ist ein Anruf fällig.
Sie passierten eine
Fernsprechzelle.
Tim borgte sich Karls
Telefonkarte und rief an bei den Kottkes, aber auch jetzt war dort niemand
Telekom geneigt oder man war weiterhin außerhäusig.
Gaby wurde an der Haustür
verabschiedet.
Karl und Klößchen sahen zu, wie
Tim sein Gute-Nacht-Bussi erhielt.
Die Jungs trugen Grüße für Gaby
Mutter auf, die ja von allen heiß verehrt wird, und Oskar hob nochmal am
Türstock das Bein, was er sonst nicht tut. Natürlich wußte er: Es war die
letzte Gelegenheit vor morgen früh; und das Prädikat ,stubenrein’ hatte er sich
schon als Junghund erworben.
„Pfui, Oskar!“ schalt ihn Gaby
und schob ihr Bike in den Flur.
Die Tür fiel ins Schloß. Die
Jungs saßen auf und strampelten quer durch die Innenstadt zur Lindenhof Allee,
wo die Viersteins die trutzige alte Villa bewohnen: drei Personen in einem zu
großen Gemäuer. Aber nicht wegen des Raum- und Platzangebots sind Gäste dort
gern gesehen, sondern wegen Frau Viersteins herzlicher
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