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Die Haie vom Lotus-Garten

Die Haie vom Lotus-Garten

Titel: Die Haie vom Lotus-Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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Gastfreundschaft.
Elisabeth, geborene Frankenau, ist ganz versessen darauf, und Karls Freunde
werden bemuttert als wären es eigene Söhne. Von Dr. Albert Vierstein, dem
Professor für Mathematik und Physik an der hiesigen Uni, läßt sich das nicht
behaupten. Auch er ist zwar von sprichwörtlicher Freundlichkeit, aber leider
nur selten zu Hause. Internationale Verpflichtungen treiben ihn um in aller
Welt. Und auch wenn er körperlich anwesend ist, pflügt sein trainierter Geist
in weiter Ferne auf den Feldern von Informatik, Kybernetik, Logizismus und
Stochastik. Zur Zeit befand er sich in Tokio auf einem Gelehrten-Kongreß, wo
allerdings nicht Japanisch, sondern Englisch gesprochen wurde und zwei Themen
auf dem Programm standen, physikalische: die theoretische Veränderlichkeit des
absoluten Nullpunktes, nämlich der tiefstmöglichen Temperatur, die theoretisch
aber nicht praktisch erreicht werden kann: schaurige 273,15 °C — sogenannt 0
Kelvin. Und zweitens eine Diskussion über die Senkung des Meeresspiegels um
0,003 Millimeter — unter Anwendung des Archimedischen Prinzips, nämlich der
Eliminierung atomar verseuchter, unter französischer Verwaltung stehender
Pazifik-Inseln.
    Der Prof, wie ihn die TKKG-Kids
nennen, war also nicht daheim. Statt dessen empfing Karls Mutter die Jungs an
der Haustür und umarmte jeden, zuletzt ihren Sohn.
    „Ich habe euch einen Imbiß
gemacht. In Karls Zimmer steht’s auf dem Tisch.“
    „Innigsten Dank, Frau
Vierstein!“ freute sich Klößchen. „Wir haben einen beinharten Job durchgezogen
in der zweiten Tageshälfte, aber von Nahrungsaufnahme war nicht die Rede. Ich
habe schon so abgespeckt, daß ich fast meine Hosen verliere, nagelneue
Winterjeans übrigens mit eingebautem Thermoausgleich.“
    „Für dich ist Schokoladentorte
da als Nachtisch“, konnte Frau Vierstein seine Freude noch steigern.
    In Karls Zimmer war auch die
Couch schlaffähig bezogen — für Klößchen — und eine Klappliege bettmäßig
hergerichtet. Dort würde Tim nachher schlafen. Seine sportgestählte Figur vertrug
die etwas unbequeme Lagerstatt.
    Die Jungs stärkten sich mit
Sandwiches und Salat. Klößchen trank den Kakao fast allein. Tim, der spätabends
nur wenig ißt, hatte die grüne Stahlkassette neben seinen Teller gestellt.
    „Ob da was Eßbares drin ist?“
fragte Klößchen.
    „Kannst du an nichts anderes
denken?“ meinte Tim.
    „Wenn man ißt, soll man nur ans
Essen denken.“
    „Konzentration auf die
jeweilige Tätigkeit“, nickte Tim. „Das gilt für alles. Du solltest es mal im
Unterricht versuchen.“
    „Da wechseln mir die Themen zu
rasch. Jede Stunde was anderes. Wer soll denn da mitkommen?“
    Tim schüttelte die Kassette
neben seinem rechten Ohr. Das Geräusch lag zwischen Klappern und Rascheln.
    „Wenn es was Eßbares ist“,
grinste Tim, „kann es sich nur um Kartoffelchips handeln.“
    „Notnahrung“, stellte Klößchen
fest. „Nur wenn sie mit Schoko überzogen wären, könnten sie mich reizen.“
    „Vielleicht sind’s Edelsteine“,
überlegte Karl und fing mit der Zunge die Käsescheibe auf, die aus seinem
Sandwich rutschte.
    „Wahrscheinlich“, nickte Tim.
„Hast du eine Büroklammer?“
    Damit stocherte er dann im
Schloß herum. Aber wie knackermäßig er den Draht auch bog — die Kassette ließ
sich nicht öffnen.
    Karl brachte seinen Vorrat an
Dietrichen und Nachschlüsseln. Aber auch denen widerstand das Stahlgehäuse.
    „Da sitzt ein kräftiges
Kerlchen drin“, sagte Tim, „und hält eisern zu.“ Er sprach in das schmale
Schloß hinein. „Heh, du! Komm raus! Oder wir leiten Wasser hinein. Brühend
heißes! Nein, noch schlimmer! Solches, in dem sich Klößchen die Füße gewaschen
hat. Das hält keiner aus, nicht mal die Kanalisation. Also, nimm Vernunft an,
Zerberus der grünen Kassette.“
    „Wer ist Zerberus?“ wollte
Klößchen wissen.
    „Ein Fiffi.“
    „Ein was?“
    „Hund. Wie Oskar.“
    „Wieso sitzt da ein Hund drin?“
    „Zerberus ist ein Name. So hieß
der Hund in der griechischen Mythologie, der den Eingang zur Unterwelt bewacht
hat.“
    „Aha! Also ein vierbeiniger
Türsteher. Wie vor ‘ner Disko.“
    „Exakt. Nur daß die dämlicher
sind als der blödeste Hund — und zweibeinig.“
    „Ja, die Türsteher“, sinnierte
Karl. „Man sollte diesen Job gesetzlich verbieten. Ist doch ein Unding, den
Doofköppen Macht in die Hand zu geben. Die Entscheidung über: Du darfst rein,
du nicht. Statt dessen sollte man

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