Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
vereint …«
    Â»... außer das Verbrechen einer Bankgründung …«
    Â»... vereint diese Stadt auch alle Fliegenpilzkulte. Neuzeitliche wie historische. Einige meinen, damit das Soma herstellen zu können, welches ihnen als ein Verbindungsgang zu den Göttern dient. Man praktiziert den christlichen Antonius-Kult ebenso wie den indogermanischen Leopardenkult oder die japanischen Tengurituale. Und natürlich jede Menge schamanischer Handlungen. Nicht zuletzt glauben einige Leute, dieser Pilz sei der Penis Gottes.«
    Lilli sagte, sie versuche gerade, von diesem einen Körperteil auf die vollständige Gestalt Gottes zu schließen.
    Â»Man muß das nicht alles glauben«, gestand Fontenelle. »Aber eines ist sicher, daß der Genuß dieses Pilzes dem Menschen die Gesundheit bewahrt. Und den Verstand dazu.«
    Â»Das Zeug ist doch eine Droge, oder?«
    Â»Sie meinen, die Droge verdirbt den Verstand? Na, so was hängt von der Droge ab und wie Sie damit umgehen. Aber das ist ja nicht neu. Und glauben Sie mir bitte, der Fliegenpilz hilft, den Intellekt des Menschen zu schärfen. Er hilft einem, die Dinge zu sehen, wie sie sind. Wenn die Spießer und Pilzfeinde dies jedoch für Halluzinationen halten, dann ist das der Irrtum derer, die in einer ewigen und stupiden Nüchternheit gefangen sind. Es gibt da einen schönen Satz aus Irland, dem ich einiges abgewinnen kann. Er besagt, die Wirklichkeit sei eine Illusion, die einem Mangel an Alkohol zu schulden sei.«
    Â»Denken Sie im Ernst, besoffene Iren würden die Wirklichkeit besser sehen?«
    Â»Die irische schon. Aber ich will hier dem Alkohol keine Hymne widmen. Sondern dem Fliegenpilz.«
    In der Tat war es so, daß in diesem Wald, je tiefer man in ihn eindrang, die Zahl der Fliegenpilze erheblich zunahm, ja, es war geradezu verrückt, wie viele dieser Augenöffner (so wiederum der passende afghanische Name) im Schatten der Bäume gediehen und ihre rot-weißen Kappen offenbarten. Dennoch galt weiterhin, daß es sich nicht um eine Zucht handelte, sondern eine von der Natur bewirkte Situation. Ein optimales Reagieren auf die Umstände einer von Menschen geschaffenen Höhlung. Die mutierten Lärchen lebten in brüderlicher Gemeinschaft mit den Pilzen, letztere die Bäume mit Wasser und Nährstoffen versorgend, während die Lärchen sich dafür bedankten, indem sie Zucker zu den Pilzen schickten. Diese egalitäre, aber in keinem Maße gleichmacherische Symbiosetechnik – denn der Pilz blieb Pilz und der Baum Baum – wäre eigentlich bestens geeignet gewesen, der Menschheit als Vorbild zu dienen, auf daß diese endlich damit aufhörte, sich in Survival-of-the-fittest-Perversionen zu ergehen: Mein Wasser! Mein Zucker!
    Inmitten dieser märchenhaften Idylle, am Rand einer kleinen Lichtung, stand eine Bank, auf der die beiden Frauen nun Platz nahmen. Was aussah wie in einer Werbung für modische Strümpfe: die langen Beine der einen wie der anderen, Beine, die sich im Sitzen, im Übereinandergeschlagensein optisch dehnten, in den Raum und ins Licht vorstießen – formelhaft, grundlegend.
    Â»Dieser Ort ist heilig«, erklärte Fontenelle, »nicht nur in einem religiösen Sinn. Denn Heiligkeit begreifen wir als naturwissenschaftliche Größe. Die Natur ist so, sie schafft privilegierte Orte. Man kann sich ihrer sogar bedienen, die Frage ist nur, wie man sich ihrer bedient. Wir ernten die Pilze, keine Frage. Aber wir tun es nach strengen Regeln. Das ist eine Frage der Vernunft, schließlich wollen wir auch noch in Jahren die Küchen von Toad’s Bread beliefern können, anstatt auf der ganzen Welt Fliegenpilze einzukaufen und in die Abhängigkeit des Imports zu geraten. Import ist eine Krankheit. Krankheiten sollte man vermeiden.«
    Â»Na, die Krankheiten helfen einem immerhin, die Abwehrkräfte zu stärken«, meinte Lilli.
    Â»Abwehr ist genau das Thema. Wir werden nicht zulassen, daß dieser Wald in die Hände deutscher Ehrgeizlinge gerät. Darum ist der Wald auch geheim. So gut wie niemand in der Stadt kennt ihn. Die Leute in Toad’s Bread sind zufrieden, weil genügend Pilze auf ihren Tellern landen, und kümmern sich nicht um das Wieso und Warum.«
    Â»Na, einige müssen wohl Bescheid wissen.«
    Â»Ein sehr kleiner Stab von Mitarbeitern, ein paar hier, ein paar oben, dazu eine

Weitere Kostenlose Bücher