Die Haischwimmerin
gefragter Baumpfleger geworden, der von Leuten in ganz Deutschland und darüber hinaus engagiert wurde, nur natürlich nicht von den Giesentweisern. Ivo hatte den Ruf, auch mit den schwierigsten Bäumen fertig zu werden, wobei das, was er war, wenig bis nichts zu tun hatte mit dem, was in anderem Zusammenhang Pferdeflüsterei genannt wird. Das Flüstern geht den Bäumen nämlich am Arsch vorbei. Dann schon lieber ein lautes Wort. Bäume sind im Prinzip Diskutierer, nicht alle cholerisch, aber viele. Immerhin lassen sie sich beeindrucken, indem man eben nicht flüstert und nicht so tut, als wollte man eine nette kleine Unterhaltung führen. Und vor allem, indem man auf und in ihnen herumklettert. Die meisten mögen das. Zumindest wenn der Kletterer sich versiert zeigt und also die Würde des Baumes mittels der Würde eigener Kletterkunst unterstreicht. Anfänger und Halbstarke werden hingegen gerne abgeschüttelt beziehungsweise kaum über die ersten Meter des Stammes hinausgelassen. â Bei Obstbäumen in Gärten ist es oft anders. Was aber nicht zu wundern braucht. Es ist, als hätte man ihnen das Hirn aus dem Schädel operiert. Und da stehen sie also wie narkotisiert (in der Tat nicht selten besprüht) und produzieren ihre Kirschen und Ãpfel und Birnen und lassen sich von jedem dahergelaufenen Kleingärtner besteigen. Armselig!
Daà Waldbäume da sehr viel eigensinniger sind, versteht sich. Doch das Augenmerk der Baumpfleger gilt naturgemäà vor allem jenen Exemplaren, die sich in nächster Nähe zu den Menschen aufhalten, ohne aber ihre Wildheit eingebüÃt zu haben. Bäume an StraÃen, Bäume, die schon vor den Häusern, vor den Spielplätzen da waren, bevor noch jemand auf die Idee kam, eine Parkbank hinzustellen oder eine Kurve anzulegen. Und selbst jene Bäume, die durchaus zum Zwecke städtischer Begrünung gepflanzt wurden, leben oft im BewuÃtsein ihrer prinzipiellen Ãberlegenheit, ihres Vorrechts vor der Architektur und den Bewohnern. Da haben wir dann doch wieder den Umstand photosynthetischer Höchstleistung im Dienste atembarer Luft, während die Menschen in dieser Hinsicht ja eher Kontraproduktives leisten. â Daà wir in der Lage sind, Bäume zu fällen, mag zwar ebenfalls als eine Art von Ãberlegenheit gesehen werden. Bloà was ist das für eine Ãberlegenheit, etwas umzusägen? Auf die Medizin übertragen, könnte man sagen, daà selbst eine brutale Amputation noch einfallsreich wirkt im Vergleich dazu, den Patienten einfach zu erschieÃen.
Ivo Berg also stellte sich quasi zwischen den Baum und eine mögliche ErschieÃung und bot Alternativen an. Er leistete Ãberzeugungsarbeit, in Richtung der Gartenbesitzer und Kommunen wie auch in Richtung der Bäume, mit denen er es zu tun bekam. Dabei drehte es sich des öfteren um den Erhalt der Verkehrssicherheit, auch wenn Ivo den Bäumen gerne weismachte, deren eigene Sicherheit sei das Thema. Jedenfalls war er um eine Aussöhnung zwischen dem verkehrsbedingten Lichtraumprofil und dem Profil des Baums bemüht. Er kletterte in den Bäumen herum, vollzog akrobatische Verbeugungen, redete mit dem Holz, stritt mit ihm, fügte Prothesen an, eliminierte stillschweigend abgestorbene Teile, spritzte stabilisierende Materialien in brüchige Ãste und setzte sich mit der Frage auseinander, was ein bestimmter Schädlingsbefall zu bedeuten habe. Denn selbst bei Bäumen war es ja nicht so, daà sie aus heiterem Himmel krank wurden, sich ansteckten, einer Attacke anheimfielen. Klar, auch unsereins wird von einer Mücke gestochen, ohne daraus etwas abzulesen als diese gewisse Bissigkeit kleiner Blutsauger. Doch jemand, der ständig Stiche erleidet und dabei in der heftigsten Weise reagiert, wird sich wohl so seine Gedanken machen und sich wenigstens schützen. Ivo Berg half den Bäumen, sich zu schützen.
Daneben erstellte er Gutachten, manchmal leider auch über die Widerspenstigkeit und Unrettbarkeit mancher Patienten.
Ivo galt als Koryphäe in seiner Branche. Zwar gab es noch bessere Kletterer als ihn, aber sein Gespür für den Baum, seine psychologische Kenntnis dieser Wesen, die auszurotten sich die Menschheit einfach nicht leisten konnte, galt als umfassend und hexenmeisterlich. Daneben wäre zu erwähnen, daà er einen durchaus zeitgenössischen Geist versprühte: diese Mischung
Weitere Kostenlose Bücher