Die Haischwimmerin
schmückend einfügen konnten, sich als Edelstein erlebend. Ja, in der Tat, sosehr Ivo öffentlich gemieden wurde, hatte er nicht wenige Frauen aus der Umgebung in diesen zwanzig Jahren beglückt, ohne daà dies je ruchbar geworden war. Was ja einem Wunder gleichkam, gerade am Lande. Aber die Frauen begriffen, diesen Mann nicht vollständig haben zu können, weil ein Teil von ihm gestorben war und sie es allein mit einem aufteilbaren Rest zu tun hatten, mit einer attraktiven Traurigkeit in Form einer goldenen Fassung.
Dennoch war Ivo Berg mitnichten ein Frauenheld zu nennen. Wenigstens schien er aus seinem Erfolg keine echte Freude, nicht einmal Macht zu beziehen. Er verhielt sich in dieser Hinsicht wie jene Menschen, die, ohne Appetit zu haben, essen, ohne das Bedürfnis, sauber zu sein, sich waschen, ohne reich sein zu wollen, reich sind.
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Ganz anders war das mit seiner Arbeit, die nun in erster Linie darin bestand, mit Bäumen zu reden. Besser gesagt, sich mit Bäumen herumzustreiten. Denn entgegen der landläufigen Vorstellung von der Gutmütigkeit pflanzlicher Existenzen waren vor allem die bäumlichen Wesen mit einer widerspenstigen, von Sturheit und Eigensinn bestimmten Natur ausgestattet, die mal mehr und mal weniger intelligent daherkam. Gut vorstellbar, wie sehr diesen Lebensformen die eigene Bedeutung für das Funktionieren gewisser biochemischer Vorgänge bewuÃt war und wie viel also davon abhing, daà es sie gab. Vor allem aber waren sie im wahrsten Sinne fixiert auf den Ort, an dem sie ihre Wurzeln geschlagen hatten und den sie für sich beanspruchten. â Es ist sicher keine Kleinigkeit, wenn man feststellt, daà ein Baum, der im Wege steht, gefällt werden muÃ. Platz machen muà für eine unserer schönen Autobahnen oder eines unserer schönen Einfamilienhäuser. Die meisten Menschen trösten sich wie so oft mit dem Argument der Notwendigkeit, der Not wendenden Wendung. Es gibt freilich auch jene, die wissen oder ahnen, daÃ, wenn man einen Baum umschneidet, dies ein wenig so ist, als würde man dem lieben Gott einen Finger abtrennen. Vielleicht auch nur eine Fingerkuppe. Aber selbst das wäre ja immer noch zuviel des Guten.
Wer nun in solchen Fingerkuppendimensionen dachte, tendierte natürlich dazu, anstatt einem Baum sägend und fällend das Lebenslicht auszublasen, ihn stehenzulassen und sich Kompromisse zu überlegen. Solche Leute waren es, die Ivo Berg engagierten, dann, wenn ein Baum zu kooperativem Verhalten animiert werden sollte. Indem man ihn zum Beispiel überredete, in eine andere als die bisherige Richtung zu wachsen. Sich weniger über die StraÃe und mehr über die Wiese zu neigen. Seine Wurzeln nicht mehr dazu zu benutzen, eine Mauer oder einen Pool auszuhebeln. Oder indem man ihn aufforderte, der eigenen Erkrankung, des eigenen Pilzbefalls Herr zu werden. Ja, mit Bäumen konnte man reden, aber eben nicht so, wie sich das die Topfpflanzenbesitzer vorstellen, die eher einen sentimentalen oder weinerlichen oder psychologischen Ton anschlagen und sich gerne auf einer Stufe mit ihren Lieblingen sehen. Einem Baum hingegen brauchte man mit einem derartigen Gesülze gar nicht erst zu kommen (und das hat nichts mit der KörpergröÃe der Bäume zu tun, auch Zwergtannen und Bonsais sind so).
Eila von Wiesensteigs Bemerkung, er, Ivo Berg, habe »Hände für Bäume«, hatte ihn dazu gebracht, sich mit jenen Wesen auseinanderzusetzen, für die seine Hände angeblich geschaffen waren. Und die Rotbuche in der Mitte des Hofs war es dann gewesen, die Ivo gelehrt hatte, wie eigenwillig Bäume sein können, wie klug, wie stur, mitunter wie blöd. Ivo Berg hatte jedenfalls eine Ausbildung zum Gärtner begonnen. Und in der gleichen unbedingten und bravourösen Art, mit der Lilli Steinbeck zur gleichen Zeit eine verblüffende AbschluÃarbeit über die zwangsläufige Verbindung von Kreditgesellschaft und organisiertem Kidnapping vorlegte, wurde Ivo ein geprüfter Baumpfleger und Baumsanierer. Bar ihres Kindes, waren die beiden zu Musterschülern geworden, die auch in der Praxis eine beängstigende Grandiosität entwickelten. Beängstigend, weil man sich nämlich fragen muÃte, ob nicht alle Leute, die in ihren Berufen Beträchtliches leisteten, sich diese Gunst mit einem fürchterlichen Unglück »erkauft« hatten.
Wie auch immer, Ivo war also ein
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