Die Haischwimmerin

aus Umweltschutz und schlankem Armani-Körper, aus Hochanständigkeit und einer wohlgestalten Arroganz, aus Vegetarismus und Lamborghini … In der Tat, er fuhr einen solchen Wagen, einen Murciélago LP 640, dessen Name, Murciélago – ebenso wie das Markenzeichen dieser Sportwagenfirma –, sich auf jenen gleichnamigen Stier bezog, der 1879 in Córdoba (eine Stadt, die man eigentlich nur kennt, weil sie irgendwie zu Österreich gehört) vierundzwanzig Lanzenstöße überlebt hatte und schließlich von seiner Lächerlichkeit, dem Torero, begnadigt worden war.
    Ivo Bergs Fledermaus (denn nichts anderes bedeutet Murciélago) war nicht schwarz oder braun, sondern gelb wie viele Lamborghinis, allerdings hatte er sich ein spezielles Gelb ausgewählt, ein gebrochenes Gelb, aus dem etwas Silbriges, Schuppiges hervorstach, als handle es sich eben weder um eine Fledermaus noch um einen Stier, sondern eher um einen Fisch, einen schnellen, versteht sich, einen Barrakuda oder Fächerfisch.
    Mit diesem Wagen donnerte er phasenweise durch ganz Deutschland, von einem Baum zum nächsten. Daß er damit nicht gerade zur Luftverbesserung beitrug, war ein Faktum. Aber es war nun mal genauso ein Faktum, daß, wenn man zu denen gehörte, die in irgendeiner Form die Welt gestalteten, man diese Welt auch bereisen mußte. Selbst Philosophen waren angehalten, an diversen über den Globus verteilten Seminaren und Workshops und Tagungen teilzunehmen. Ein zeitgemäßer Philosoph saß nicht in irgendeinem Kaff herum und schrieb Bücher, in Kaffs saßen nur die herum, die keine Einladungen zu Workshops erhielten.
    Nun, Giesentweis war zwar ebenfalls ein Kaff, taugte aber bestens als Bergsches Hauptquartier. Auch als Trainingslager, eingedenk der Rotbuche im Innenhof, in der Ivo herumkletterte, um sich auf seine Einsätze vorzubereiten.
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    Ivo führte Dr. Kowalsky in einen weitgestreckten, niedrigen Raum, in dessen Mitte eine dreiteilige helle Sofalandschaft gleich einem Atoll einen kleinen, schwarzen, in der Mitte aschenbecherartig eingebuchteten Tisch umrahmte. Nicht, daß hier geraucht wurde. Es gab nicht einmal Kaffee oder Tee, sondern stilles Mineralwasser, das Ivo in zwei Gläser einschenkte, die so ungemein dick und schwer waren, als wäre es zuwenig der kathartischen Strenge, »gesundes Wasser« in leichten Gläsern zu servieren.
    Â»Also?« sagte Berg, beugte sich leicht vor und betrachtete den Anwalt mit dieser speziellen Abfälligkeit der Naturmenschen den Büromenschen gegenüber. Als schaue eine Elster auf eine Ameise, völlig vergessend, wie überlegen diese Ameisen sind, sobald man sie als Kollektiv begreift.
    Aber auch einzelne Ameisen haben etwas zu sagen. Kowalsky erklärte: »Ich wurde beauftragt, Sie zu kontaktieren. Es gibt da ein Unternehmen, NOH, einer der größten pharmazeutischen Betriebe weltweit. Sie haben sicher schon von denen gehört.«
    Â»Wollen die vielleicht einen Baum retten?« fragte Ivo.
    Â»NOH will die ganze Menschheit retten«, erklärte Dr. Kowalsky.
    Â»Ach was!? Es geht also gar nicht um Geld.«
    Â»Solange Lamborghinis nicht mit Luft, sondern mit Benzin angetrieben werden«, meinte Kowalsky, »wird es immer auch ums Geld gehen. Das ist aber kein Grund, den Kopf hängen zu lassen, nicht wahr? Die Welt darf ja trotzdem eine bessere werden. Aber lassen Sie mich ausholen. Der NOH-Konzern hat an vielen Orten seine Leute sitzen, da wird fleißig geforscht und gesucht. Und einige von denen finden auch etwas, sonst wäre es unter dem Strich schließlich kein Geschäft. In Bremen ist die Zentrale. Und dort haben sie von einem ihrer russischen Mitarbeiter ein Fläschchen mit einer Essenz erhalten, welche offensichtlich die Laborleute in helle Aufregung versetzt hat. Die Analyse scheint absolut vielversprechend: Heilung auf der ganzen Linie.«
    Â»Ein Wundermittel?«
    Â»Es gibt keine Wunder, nur Mittel«, sagte Kowalsky. »Gute oder schlechte Mittel. Dieses scheint ein besonders gutes zu sein. Es handelt sich um die ölige Ausscheidung aus dem Zapfen einer Dahurischen Lärche.«
    Â»Welcher genau?« fragte Ivo, der es ja mit Bäumen recht genau nahm.
    Â»Einer bislang unbekannten Varietät«, präzisierte der Anwalt, »deren Vorkommen auf ein Gebiet der nordwestlichen Seite des Dschugdschurgebirges beschränkt scheint.«
    Â»Nett