Die Haischwimmerin
Sie werden sich einen anderen suchen müssen.«
Ivo klang ärgerlich. Aber der Ãrger galt ihm selbst. Er spürte, daà er sich viel zu sehr in dieses Gespräch einlieà und sein Widerstand etwas Kindhaftes besaÃ. Als versuche er, das abendliche Zähneputzen abzuwehren. Aber das Zähneputzen kann man nicht abwehren, sondern nur hinauszögern. Wie auch das Schlafengehen und das Aufstehen. Liegenbleiben kann man nur, wenn man krank wird. Ja, Ivo wäre jetzt gerne krank geworden. Doch Dr. Kowalsky sagte: »Es ist doch so, Herr Berg, Sie sind ganz einfach der Richtige für diese Angelegenheit. Und es wäre eine Schande, würde statt des Richtigen ein Falscher auf die Reise gehen.«
»Denken Sie denn, es ist so schwer, einen Baum auszureiÃen, ordentlich zu verpacken und in ein Flugzeug zu stecken?«
Dr. Kowalsky runzelte die Stirn. Er sagte, nun doch in den Ton des Vaters verfallend, der das Zähneputzen einklagt: »Was soll das, Herr Berg? Warum stellen Sie sich dumm?«
Ja, was sollte das? Das muÃte sich auch Ivo fragen. Denn natürlich war es alles andere als unkompliziert, einen ganzen Baum aus einer solch entlegenen Gegend zu »kidnappen«. Und diesen Baum dann auch noch zu überreden, selbige Behandlung nicht miÃzuverstehen. Denn wenn Pflanzen etwas wirklich beherrschten, dann die Fähigkeit, sich umzubringen, einen unwürdigen Zustand selbst zu beenden. Umpflanzungen waren in diesem Punkt ein ganz heikles Thema, selbst wenn es sich nur um ein paar Meter handelte. Für Bäume das roteste aller roten Tücher.
Warum sollte nun ausgerechnet die nicht gerade als devote Gartenpflanze oder als Parkbaum berühmte Dahurische Lärche diesbezüglich anders denken? Nein, die NOH-Leute lagen schon richtig, wenn sie sich gerade ihn, Ivo Berg, ausgesucht hatten. Er würde kraft seiner Person der Sache einen seriösen Anstrich verleihen, vor allem aber die bestmögliche Behandlung des Baums gewährleisten. Nicht zuletzt würde sein Job auch darin bestehen, jenes Exemplar auszuwählen, das am ehesten in Frage kam. Man könnte sagen, die reisefreudigste unter all den Lärchen.
Zudem begriff Ivo, wie viel besser es war, daà NOH nur eine Person schickte, einen einzelnen Botaniker, statt eins dieser Teams zu entsenden, die selbst auf der Jagd nach Schmetterlingen einen söldnerhaften Eindruck hinterlieÃen. Und welche, sobald sie einen Ort erreichten, alle Aufmerksamkeit an sich zogen, technisch hochgerüstet, laut, anmaÃend, blindwütig. Nein, so unvernünftig waren die Verantwortlichen in Bremen nicht.
War das ein Grund für Ivo, zuzusagen? Nur, weil da oben in Norddeutschland mal jemand vernünftig schien? Natürlich nicht. Sowenig wie die Benzinfrage zählte, wenngleich ⦠nun, die Erhaltung seines luxuriösen Gefährts wie auch die Erhaltung des Anwesens hatten Ivos Finanzen zuletzt deutlich geschwächt. Seit einiger Zeit kämpfte auch er mit Schulden.
Was nun aber wirklich dafür sprach, den Auftrag anzunehmen, war die Möglichkeit, eine Flora zu studieren, die noch viele weiÃe Flecken aufwies. Wer kam schon je in diese unwegsame Gegend? Und der tollste weiÃe Fleck ergab sich natürlich in Form einer neuen Variante der robusten Dahurischen Lärche. Um so mehr, als sie offensichtlich eine höchst bemerkenswerte Substanz enthielt.
»Hat der Baum schon einen Namen?« fragte Ivo unvermittelt.
»Nein. Das ist noch nicht offiziell. Es fehlt eine echte Erstbeschreibung. Es gibt praktisch nur die Untersuchung eines einzelnen Zapfens. â Warum? Wollen Sie das Anrecht auf die Benennung?«
»Wer die Erstbeschreibung verfaÃt, genieÃt auch den Vorzug â¦Â«
»Ich denke mir, das müÃte sich machen lassen. Die Auftraggeber werden verkraften, wenn der Baum nicht nach dem Konzern heiÃt. Etwa NOH-A. Auch wenn das ganz gut passen würde.«
»Und die Bezahlung?«
Dr. Kowalsky nannte ein Fixum sowie eine weitaus höhere Erfolgsprämie bei Ablieferung des Baums in einem »der wissenschaftlichen Untersuchung und weiterführenden Verwendung dienlichen Zustand«.
»Bumm!« sagte Ivo. »Das ist keine kleine Summe.«
»Ich weià nicht«, antwortete Kowalsky, »ob ich berechtigt bin, Ihnen auch weniger anzubieten, wenn Sie sich dann besser fühlen. Aber ich könnte nachfragen.«
Ivo ignorierte den
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