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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Spott und meinte: »Ich überlege … ich frage mich, welches Risiko ich eingehe.«
    Â»Darum ist die Bezahlung wohl so hoch«, vermutete Kowalsky, »weil die Risiken so schwer einzuschätzen sind. Sie sind dort drüben praktisch auf sich selbst gestellt. Müssen eigene Entscheidungen treffen. Natürlich, da wären noch die beiden Männer vor Ort. Ihre Auftraggeber aber werden sich absolut zurückhalten. Das Projekt liegt in der Verantwortung der wissenschaftlichen Stiftung, nicht des Unternehmens. Die Stiftung wiederum besteht aus nichts anderem als einem Bankkonto. Wenn Geld fließen soll, wird es fließen. Aber das mit dem Baum müßten Sie schon selbst hinkriegen. Sie verstehen?«
    Â»Hört sich ziemlich nach Himmelfahrt an.«
    Â»Ja, wer kann schon sagen, wo eine Fahrt letztendlich hinführt. – Also? Darf ich davon ausgehen, daß Sie zusagen?«
    Ivo Berg hätte noch ein wenig überlegen können. Aber er wußte um den geringen Nutzen einer solchen Verzögerung. Die Zukunft stand bereits fest, sie erfüllte sich nur noch. Und die allernächste Zukunft bestand darin, Kowalsky zuzunicken. Also löste Ivo Berg ein, was theoretisch längst geschehen war. Sein Nicken verwob das Kommende mit der Gegenwart.
    Der Anwalt erhob sich, reichte Ivo die Hand und sagte: »Ich melde mich bei Ihnen mit den Details.«
    Ivo Berg blieb mit dem Gefühl zurück, der Tag sei vorbei, obwohl erst Mittag war. Aber wann ein Kapitel zu Ende ist, ist nun mal keine Frage der Tageszeit.

7
    Ivo sah durch die hohen Scheiben hinaus auf den Platz. Er brauchte eine Weile, um zu begreifen, daß die ineinander verschraubten Metallstreben keine Stahlskulptur ergaben, die man bloß zu nahe an einen alten Baum gestellt hatte, sondern es sich um eine Stütze für ebendiesen Baum handelte. Ein erstaunlicher Irrtum für einen Mann seines Berufs. Allerdings muß gesagt werden, daß soeben ein heftiges Schneetreiben über Warschau herfiel, und zwar in der Art, in der Milch übergeht, jedoch im Übergehen innehält, den Topfrand nicht überschreitet, eine brodelnde Kuppe bildet und sich so noch eine ganze Weile in der Schwebe hält. Man konnte also meinen, der Schnee steige aus dem Boden hoch.
    Ivo kam nicht umhin, an das ungeheuerliche Schneetreiben zu denken, das ihn und Lilli empfangen hatte, als man erstmals nach Giesentweis gekommen war. Natürlich, Schnee fiel immer wieder mal und immer wieder mal auch heftig. Aber Ivo fühlte sich in einer Weise erinnert, wie man beim Anblick einer glühenden Herdplatte daran denkt, sich einst die Finger verbrannt zu haben.
    Gemäß der Direktive, die Dr. Kowalsky ihm zwei Tage nach ihrem Gespräch überbracht hatte, befand sich Ivo also in der von einem späten Winter eingeholten polnischen Hauptstadt. Er war angewiesen worden, ein Zimmer in einem Hotel der Altstadt zu beziehen und um drei Uhr nachmittags ein Lokal an der Krakowskie Przedmieście aufzusuchen, nahe der Uni. Dort sollte er einen Mann namens Epstein treffen, der ihn mit allem versorgen würde, was er für seine Reise und seinen Auftrag benötigte. Wobei dieser Auftrag, diese ganze Unternehmung, die Codezahl fünfhundertneunundzwanzig trug.
    Â»Wieso fünfhundertneunundzwanzig?« hatte Ivo den Anwalt Kowalsky gefragt. Aber der hatte nur mit der Achsel gezuckt und gemeint, Sinn und Nutzen dieser Zahl würden sich wohl noch eröffnen.
    Ivo freilich fand, die Geschichte schlage gleich zu Beginn einen unangenehm mysteriösen Weg ein. Doch was sollte er tun, er hatte nun mal zugesagt und saß darum in einem dieser neuen schicken Warschauer Cafés, während draußen weiter die Milch kochte.
    Aus dem schäumenden Weiß trat ein Mann in das Lokal, der einen langen Mantel trug. So ein Mantel, der zwei Weltkriege überstanden hatte. Verwundet, verschrammt, aber ungebrochen winterfest, der Mantel. Der Typ freilich, der darin steckte, war sehr viel jünger, etwa zwanzigjährig, ein wenig auf Drogen, nach dem Glanz seiner Augen zu urteilen. Er fragte: »Sind Sie Ivo Berg?«
    Ivo antwortete: »Fünfhundertneunundzwanzig.«
    Â»Wie bitte?« Der junge Mann schien verwirrt.
    Ivo erklärte: »Der Code, ich rede von dem Code: Fünfhundertneunundzwanzig.«
    Â»Ich weiß nichts von einem Code«, antwortete der junge Mann.
    Â»Na egal«, zeigte sich Ivo flexibel, »Sie

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