Die Haischwimmerin
schön mitanzusehen, wie rasch diese breiten, vollen Gesichter die Stimmung wechseln konnten.
Eine Wohnungstüre wurde geöffnet, und die beiden führten Ivo in einen kleinen Wohnraum von grandioser Schwülstigkeit. Hier schien selbst noch der Staub glitzernde Schleifchen zu tragen. Nicht, daà es sich um ein Bordell handelte, selbige waren in der Altstadt sicherlich verboten, aber doch so eine Art privates Animierlokal. Viel Plüsch und viele Likörfarben und in der Luft eine unbestechlich schwermütige Mischung aus Nikotin und Parfüm.
In solcher Luft büÃte Ivo rasch den eben gewonnenen klaren Blick ein. Eigentlich wollte er gehen. Aber die Frauen drängten ihn, auf einem winzigen, halbkreisrunden Sofa Platz zu nehmen. Es war schrecklich eng, wie im Zwergenland, nur daà niemand hier ein Zwerg war, so daà alle drei Beinpaare zusammenstieÃen.
Auf dem Tisch stand eine offene Flasche WeiÃwein. Drei Gläser wurden gefüllt. Die Damen hoben die ihren hoch. Ivo tat es ihnen gleich, um nicht unfreundlich zu sein. Und fragte sich gleichzeitig, wozu er in dieser Nacht noch alles bereit sein würde, nur, um nicht unfreundlich sein zu müssen. Denn das war das Problem mit einigen Damen, wie wenig man ihrer Freundlichkeit entgehen konnte und dann Dinge tat, die man nachher bereute.
»Iâm tired. I have to go«, stieà er hervor.
»No, no, no«, antwortete die Frau zu seiner Linken und schwang einen Finger verneinend durch die Luft. Auf dem lackierten Nagel spiegelte sich das Licht der vielen Kerzen, die den Raum schmückten.
Nicht, daà Ivo die beiden Frauen nicht gefielen, aber es gehörte zu seinen Prinzipien, keinen Verkehr mit Prostituierten zu haben. Auch wenn es freundliche Prostituierte waren. Genau auf diesen Umstand verwies er nun in einem hingestotterten Englisch.
Aber die beiden lachten nur. Die eine, die eben noch mit ihrem Finger gependelt hatte, zeigte Ivo die Zunge. Es war eine schöne Zunge, makellos, rot, glatt, frei von jeglichem Belag, ausgenommen der Lasur, die sich aus einem Schluck Wein ergeben hatte. Ivo wollte etwas sagen, doch in seinen sich öffnenden Mund hinein fuhr die schöne Zunge und drängte jegliches Wort zurück. Die andere Frau griff ihm zwischen die Beine, ein wenig heftig, so daà es schmerzte. Glücklicherweise, denn dieser Schmerz war wie eine Startrampe, aus der Ivo hochschnellte. Er griff in seine Geldbörse, legte zwei Scheine auf den Tisch, nahm seine Jacke und stürmte aus der Wohnung. Was auch immer ihm die beiden hinterherriefen, es hatte etwas Fleischiges, Beuscheliges. Als beginne nun die Luft zu kalben. Es klang nicht nett.
DrauÃen, in der feuchten Kälte, fühle Ivo die Erleichterung. Er begann zu laufen. Schnee spritzte. Er traf auf Spaziergänger, erkundigte sich und gelangte nach einer Weile auf den Platz vor seinem Hotel. Die Westfassade des Königsschlosses stand so fest und eisern da wie ein Mann, der einzig und allein aus zwei dicken Beinen und einem sinnlosen Hals besteht.
Jetzt war Ivo Berg wirklich tired.
8
Ivo erwachte in dem Moment, als das Flugzeug aufsetzte und dabei heftige, kratzende Geräusche verursachte. Der Eindruck konnte entstehen, die Propellermaschine wäre nicht auf einem Flugfeld, sondern auf dem Rücken eines sehr groÃen, naturgemäà unebenen Tiers gelandet, auf einem dieser sagenhaften Drachen, die, falls es sie doch gibt, dann am ehesten in einer Region wie Russisch-Fernost vorkommen.
In der Tat bremste die zweimotorige Antonow ihre Fahrt nicht auf einer konventionellen Betonpiste, sondern auf einer Bahn aus verschweiÃten metallenen Platten, die man gelocht hatte. Gut möglich, daà hier eine Ladung alter russischer Panzer glattgewalzt und in der Folge gestanzt worden war. Dennoch kam der Flieger perfekt zum Stehen. Ivo rieb sich die Augen, wuÃte auch schon gar nicht mehr, was er gerade geträumt hatte, und löste seinen vom Schlafschweià feuchten Körper vom Sitz. Es hörte sich an, als öffne jemand die Manschette eines Blutdruckgeräts.
Ivo war der letzte, der das Flugzeug verlieÃ. Etwas in ihm sträubte sich. Er hätte umkehren wollen. Eine Flugbegleiterin blickte ihn streng an und gab ihm ein Zeichen. Ein Zeichen in der Art über die Knie gebrochener Ãste.
DrauÃen waren ein dunkelgrauer Himmel und ein eisiger Wind und um das Flugfeld herum ein vom Schnee weiÃes Land. Vom Rand der
Weitere Kostenlose Bücher