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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Piste kamen mehrere Personen, um die Angekommenen zu begrüßen und dabei zu helfen, das Gepäck aus dem Bauch des Flugzeugs zu hieven. Hier war Fliegen noch wie Busfahren.
    Ivo drängte sich zwischen die Leute, in leichter Panik, jemand könnte es auf seine beiden gelben Metallkoffer abgesehen haben, die zwischen verschnürten Taschen und sonstigen Gepäckstücken deutlich hervorstachen. Viel zu auffällig, lamborghinimäßig. – Ivo wurde in diesem Moment bewußt, daß es vielleicht besser war, sich in Zukunft nicht wie ein Mandrill aufzuführen, der mit seinem grell gefärbten Hintern seine Umgebung zu beeindrucken versucht. Eher sollte er sich an den Wombats orientieren, jenen australischen Beutelsäugern, die nämlich ebenfalls über einen famosen Hintern verfügen. Dadurch, daß selbiger von Knochen und Knorpeln verstärkt wird, sonst aber bescheiden bleibt. Ja, Wombat statt Mandrill, das war die Devise. Aber Devisen sind natürlich weit weniger robust als die Knochenplatten auf Wombatärschen.
    Â 
    Â»Guten Tag, Herr Ivo«, sagte eine Stimme hinter ihm. Eine Kinderstimme.
    Ivo faßte nach seinen beiden Protzkoffern und wandte sich um. Vor ihm stand ein Junge, vielleicht vierzehn, fünfzehn, rotes Haar, rotorange, ein rundes Gesicht, eine kleine Nase, dunkle Augen, schöne Augen, wie geschliffene Steine im klaren Wasser. Er trug einen ebenfalls roten Anzug, ein Pagenkostüm, schien es Ivo, wobei der Stoff stark abgetragen war und das fleckige, an manchen Stellen wie verschütteter Wein wirkende Rot sich wohl einer ungenügenden Färbung verdankte. Rot, das einmal Blau gewesen war. Unter der Jacke wärmte ihn ein dicker Pullover. Die Hose verfügte an beiden Seiten über breite schwarze Streifen. Zudem hatte der Junge eine Pagenmütze vom gleichen unreinen Rot auf seinem rotorangen Schädel. Ohne aber knallig oder grell zu wirken. Auch trug er weiße Stoffhandschuhe, viel zu dünn für die Kälte, sowie geknöpfte Gamaschen über den festen Schuhen. Die Gamaschen schienen aus weißem Kunststoff. Ivo überlegte, daß der Kleine wahrscheinlich von einem Hotel kam, einem lausigen Hotel, wo man Kinder in fadenscheinige Kostüme steckte.
    Â»Du sprichst Deutsch?«, fragte Ivo, als hätte er es nicht gerade eben gehört.
    Â»Natürlich. Ich bin hier, um Sie abzuholen.«
    Â»Wie soll ich das verstehen?«
    Â»Ich bin Ihr Führer, Herr Ivo. Ich werde alles für Sie erledigen. Wenn Sie etwas brauchen, sagen Sie es, ich organisiere es.«
    Â»Hör mal zu, Kleiner …«
    Â»Mein Name ist Spirou.«
    Â»Klingt nicht sehr russisch.«
    Der Junge griff nach hinten unter Jacke und Pullover und zog ein Heft hervor, einen stark abgegriffenen Comic, den er Ivo entgegenhielt: Spirou und Fantasio, Band 13, Der Plan des Zyklotrop .
    Â»Als ich zehn war«, erzählte der Bub, »war ich in Chabarowsk. Da habe ich das Heft entdeckt. Eine deutsche Ausgabe, darum auch habe ich Ihre Sprache erlernt, um die Geschichte lesen zu können.«
    Â»Erstaunlich«, kommentierte Ivo.
    Â»Ich liebe Spirou«, sagte der Junge.
    Es dämmerte Ivo. Auch er hatte als Kind einige Hefte dieser Comicserie gelesen. Die Erinnerung stieg nun hoch, so daß vor Ivos geistigem Auge die beiden jungenhaften Helden dieser Bildergeschichte feste Gestalt annahmen: Spirou, der Draufgänger mit der roten Mütze, und sein Freund Fantasio, der rasende Reporter, und natürlich das gelb-schwarze, extrem langschwänzige, aus dem palumbianischen Urwald stammende Marsupilami.
    Die geschliffenen Augen des Jungen glänzten, als hätte gerade jemand das ohnehin saubere Wasser, in dem sie schwammen, durch ein noch klareres ersetzt. Es war offenkundig, wie sehr es ihn freute, daß Ivo seine Ähnlichkeit mit dem Helden der frankobelgischen Comicreihe erkannt hatte.
    Â»Spirou also«, sagte Ivo.
    Â»Genau«, bestätigte der Junge.
    Â»Okay. Ich weiß schon, daß dein Namensvetter aus dem Heftchen es mit allerlei Ganoven aufnimmt und die verrücktesten Abenteuer besteht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß du mich im Ernst begleiten sollst.«
    Â»Ich bin klein und ich bin jung. Das ist ein Vorteil hier in Ochotsk, glauben Sie mir das bitte.«
    Â»Wie alt bist du?«
    Â»Dreizehn.«
    Â»Das ist ein Alter, wo man nicht als Fremdenführer arbeiten, sondern zur Schule gehen

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