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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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welches er sich wieder überzog, um nicht nackt vor seinen Gegnern zu stehen.
    Â»Das stimmt schon«, sagte der Baden-Badener, »aus dieser Entfernung auf jemand zu schießen wäre ziemlich unsportlich. Aber, oh Wunder, unser Freund aus Australien hat es nicht mit der Sportlichkeit. Sondern nur mit dem Sport. Diese Wallabys sind rauhe Naturen. Die schießen auch aus der Nähe. Oder sagen wir lieber, sie schießen gerne Stück für Stück.«
    Letzteren Satz begriff Ivo nicht sofort. Doch als er jetzt sah, wie der Australier den Lauf seiner Waffe senkte und nicht mehr auf die Stirn, sondern aufs Bein zielte, da erkannte Ivo, wie es denn gemeint war. Darin bestand die Taktik: den Gegner zuerst auf schrecken und er schrecken und ihn dann verletzen, aber nur insofern, als dieser weiterhin imstande war, sich zu wehren oder wenigstens zu flüchten.
    Der Australier kam jetzt noch zwei Schritte näher, so daß er sich wirklich gut entscheiden konnte, ob er ins Knie oder in die Wade schießen sollte. Sodann fixierte er grinsend Ivos Augenpaar und äußerte: »Only human!«
    Gut, für Filmfreunde war sofort klar, daß es sich dabei um ein Zitat aus dem ersten Matrix -Film handelte, die Szene, als einer der virtuellen Menschen, der sogenannten Agenten, auf den am Boden liegenden Keanu Reeves seine Waffe richtet und in der deutschen Synchronisation erklärt: »Nur ein Mensch!«, während fast gleichzeitig Reeves’ Freundin von der Seite her ihrerseits auf die Schläfe des Angreifers zielt und äußert: »Nur ein Agent!« Und dann schießt.
    Und dies wiederholte sich nun in der Wirklichkeit, nämlich nicht bloß, indem der Australier ein »Only human!« von sich gab, sondern auch dadurch, daß zur Verblüffung aller Galina Oborin eine Pistole unter ihrem Pullover hervorzog, diese gegen den Australier richtete und in dem hübsch gegurgelten englisch Russisch sprechender Damen meinte: »Only a hunter!« Und dann feuerte. Allerdings nicht auf die Schläfe, wie im Film, sondern in das Bein des Australiers.
    Das war dreifach eine Überraschung. Erstens, weil Galina eine Waffe mit sich führte. Zweitens dadurch, daß sie ganz offensichtlich die Matrix -Trilogie kannte, wenigstens den ersten Film. Vor allem aber, indem sie, drittens, entgegen der allgemeinen Annahme, sie sei taubstumm, absolut in der Lage war, laut und deutlich und noch dazu mit einer hübschen Stimme zu sprechen, zumindest Englisch. (Wobei noch zusätzlich zu erwähnen wäre, daß Galina offenkundig auch die deutsche Version kannte, in der »Only human!« nicht ganz sauber mit »Nur ein Mensch!« übersetzt wird, um sodann überaus passend mit einem »Nur ein Agent!« zu kontern, während es ja im Original »Dodge this!« heißt, was in etwa bedeutet: »Jetzt versuch mal, der Kugel auszuweichen, Drecksack!« Somit hatte Galina zwar englisch gesprochen, jedoch die deutsche Version zitiert.)
    Nicht zuletzt konnte man es auch als Überraschung ansehen, daß sie ohne das geringste Zögern abgedrückt hatte. Nun, die angebliche geschlechtsspezifische Schießhemmung von Frauen war möglicherweise ein ähnlich dummes Gerücht wie die Annahme, Männer eigneten sich in besonderem Maße, die Abseitsregeln beim Fußball zu begreifen.
    Galina schoß aber nicht nur – und zwar auf den Unterschenkel, so daß die Kugel in die äußere Schicht der Wadenbeinmuskulatur ein- und gleich wieder ausdrang –, sondern sie richtete mit einer ungeahnten Schnelligkeit die Waffe nach oben, um doch noch spielfilmgerecht auf eine Schläfe zu zielen, nämlich die Schläfe des Baden-Badeners.
    Der solcherart Anvisierte lächelte anerkennend, senkte den Lauf seines Gewehrs und gab auch den anderen zu verstehen, ruhig zu bleiben. Währenddessen wälzte sich der Australier am Boden und entließ eine ganze Serie von Black Paintings.
    Â»Wäre vielleicht angebracht, dem armen Kerl zu helfen«, erklärte der Baden-Badener und blickte auffordernd zu Ivo. Wobei er weniger besorgt denn amüsiert wirkte.
    Â»Das hätten Sie von Anfang an tun sollen«, meinte Ivo, »sich um Ihre eigenen Leute kümmern. Ich frage mich, wie Sie diesen Wahnsinn verantworten wollen.«
    Â»Eigentlich dachte ich«, sagte der Baden-Badener, »Sie hätten bereits kapiert, worauf das alles hinausläuft. Worin der Sinn

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