Die Haischwimmerin
Salven entfernte sich, verstummte schlieÃlich. Die Jäger hatten das Feuer eingestellt. Die Flüchtenden aber setzten ihren Weg fort, dem FlieÃwasser folgend, und landeten schlieÃlich im Talgrund an einem an dieser Stelle fast eben dahinziehenden Gewässer, einem Bach, nicht breiter als drei, vier Meter, eingefaÃt in ein begrastes Bett, das am Uferrand einen derart gepflegten Eindruck machte, als wären hier die Golfplatzgärtner am Werke gewesen. Oder so, als persifliere an dieser Stelle die Natur den in die Rasenpflege verliebten Menschen. Jedenfalls war es auch ohne Brücke nicht schwer, auf die andere Seite zu gelangen.
»Mann o Mann, was war das denn?« fragte Ivo.
»Eine Treibjagd«, zeigte sich Spirou sachlich. »Und ich denke, sie ist noch nicht vorbei.« Auch Spirou konnte sich kaum vorstellen, daà diese Männer â Alkohol hin oder her â nicht imstande gewesen wären, zu treffen, hätten sie das gewollt. »Es geht sicher darum, uns mürbe zu machen.«
»Und wohin jetzt?« fragte Ivo.
»Wenn wir weiter die Rucksäcke tragen, werden wir zu langsam sein«, meinte Spirou.
Da hatte er recht. Denn es ging ja nicht mehr abwärts, sondern nur noch gerade oder nach oben. Man beschloÃ, das hinderliche Gepäck in einer Mulde abzulegen, mit Reisig abzudecken und sich die Stelle zu merken. Nun, merken ging nicht. Ein Flecken sah hier aus wie der andere. Ivo nahm sein Taschenmesser â die einzige Waffe, die er besaàâ und schnitt eine Markierung in den nächsten Baum. Er werkelte eine ganze Weile herum, trotz Zeitnot um Originalität bemüht. Das war unverkennbar die österreichische Ader. Der Drang, in Schönheit zu sterben.
»Keine Angst«, erklärte Spirou so milde wie drängend, »wir werden es nicht benoten.«
»Natürlich nicht«, antwortete Ivo, unterbrach den Vorgang und steckte das Taschenmesser wieder zurück. Dann fragte er: »FluÃaufwärts?«
»Ja«, sagte Spirou. Obzwar dieser Weg ins Gebirge führte und damit weg vom schützenden Wald. Doch die Wahrscheinlichkeit war zu groÃ, daà fluÃabwärts die Jäger lauerten.
Nach einer halben Stunde schnellen Marsches fühlte Ivo, wie Galina ihn am Arm faÃte. Er drehte sich zu ihr hin. Sie war rot im Gesicht, der Schweià hing in Perlen an der Haut, und ihr Atem war ein Stottern. Spirou stand neben ihr und wirkte nicht minder erschöpft. Nun, in puncto Kondition spielte Ivo tatsächlich in einer anderen Liga. Er hätte jetzt am nächsten Ast ein paar Klimmzüge machen können, um nicht auszukühlen. Was er freilich unterlieÃ, sich sein fast trockenes Hemd vom Körper zog, es zu einer Tuchform faltete und damit das Gesicht Galinas abtupfte. Sie lieà es geschehen. â Richtig, diese Geste erinnerte stark an das Bild des Pflegers, der einem Kranken die Stirn trocknet, um ihm ein wenig Erleichterung zu verschaffen. Vor allem aber ein Gefühl der Zärtlichkeit zu vermitteln.
Obzwar Galina nicht krank war, fühlte sie sich durchaus geschwächt. Vor allem aber fühlte sie sich gemocht. Auf eine reine, tiefe Weise gemocht.
Im Grunde hätte diese Geschichte in diesem Augenblick enden sollen. (Und warum auch nicht? Wer will, kann jetzt zu lesen aufhören und sich sagen: Alles wird gut.) Aber mit den wirklichen Geschichten ist es wie mit den meisten erfundenen, sie sind nach den ersten hundert, zweihundert Seiten einfach nicht zu Ende, so glücklich da ein Moment auch gerade sein mag.
Kein Wunder also, daà es genau in dieser Situation liebevoller Pflege und einem möglichen Kuà vorgelagerter Herzlichkeit geschah, daà von der Seite her jene sechs Männer aus dem Dickicht brachen, Gewehre im Anschlag, ihre Gesichter ebenso. Denn natürlich kannte sich der russische Führer in dieser Gegend bestens aus. Zwar war es ihm gar nicht recht, einen Mann wie Ivo, der das Lopuchinsche Stigma trug, in die Enge zu treiben, aber was sollte er tun, er stand nun mal im Dienste des Baden-Badeners und hatte darum eine Biegung des FluÃtals genutzt, um den Weg abzukürzen.
»So sind wir alle erneut vereint, wie schön!« frohlockte der süddeutsche Oberjäger.
»Wollen Sie wirklich aus dieser Nähe auf stehendes Wild schieÃen?« erkundigte sich Ivo und verwandelte das nun schweiÃgetränkte Tuch zurück in ein Männerhemd,
Weitere Kostenlose Bücher