Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Gefahr, um gesund sein zu können?
    In jedem Fall war es durchaus beruhigend zu wissen, zu welcher Kaltblütigkeit diese Frau imstande war. Denn schließlich war nicht sicher zu sagen, ob die Gruppe durchgeknallter Jäger endgültig aufgegeben hatte. Womöglich würden sie rasch ihre Wunden lecken, alle Wunden, und sodann … Ivo verdrängte den Gedanken. Er wollte sich auf die Suche nach dem Baum konzentrieren, machte Notizen, untersuchte die Proben. Währenddessen bereitete Galina die Suppe, wobei sie auch etwas von der Flechte verwendete, die Spirou gesammelt hatte. Was der Suppe einen bitteren Geschmack verlieh. Aber gut bitter. Jeder nahm einen Teller zu sich, dann brach man auf.
    Es sollte ein geradezu heißer Tag werden. Es regnete Hitze, und man wurde richtig naß.
    Â 
    Naß wurden auch die Jäger, die ihren Verletzten abtransportierten. Der Baden-Badener hatte begriffen: Die Jagd war vorbei. Obgleich die anderen auf Rache sannen und sogar bereit gewesen wären, ihren australischen Freund sich selbst zu überlassen. Eine Haltung, bei der sie unterstützt wurden von den beiden russischen Führern, die auffälligerweise darauf drangen, Ivo und Galina und den Jungen nicht so einfach davonkommen zu lassen. Dazu paßte, daß die beiden Männer aus Magadan es gewesen waren, die früh am Morgen den Baden-Badener und seine Kameraden aus den Betten geholt und darauf aufmerksam gemacht hatten, daß Ivo samt seiner Entourage sich ohne Verabschiedung auf den Weg gemacht habe. Man kann sogar sagen, die zwei Russen hätten in ihrer Funktion als Jagdführer die Wahl eines neuen Jagdwilds vorgenommen. Die Schafe durch Menschen ersetzend. Als sei dies nun mal ihr Recht in dieser Gegend, eine solche Entscheidung zu fällen. Eine Entscheidung freilich, die den touristischen Jägern höchst willkommen gewesen war. Denn mit Schafen, seien es auch wilde, geht eine gewisse Langeweile einher.
    Daran dachte der Baden-Badener nun, daß es ursprünglich die Russen gewesen waren, die diese Menschenjagd angezettelt hatten. Es war doch einigermaßen merkwürdig, daß sie trotz der Schlappe eine Fortsetzung einzuklagen versuchten. An die Ehre der Jäger appellierend.
    Doch so klug war der Baden-Badener, zu wissen, wie sehr Rache ein Motiv der Verlierer war. Und als solcher wollte er sich nun mal nicht fühlen. Zudem hegte er den Verdacht, in eine ganz andere Auseinandersetzung hineingezogen zu werden als die, die ihm beliebte.
    Er entschied, abzubrechen und den Australier ins Krankenhaus zu bringen.

13
    Die Suche, die an diesem und auch am nächsten Tag erfolgte, brachte nichts ein. Viele Bäume, aber keiner von außergewöhnlicher Färbung oder extremem Geruch. Weshalb man nach einer weiteren Nacht beschloß, das Gebiet zu wechseln und über den Gebirgskamm in das nächste im Westen gelegene Tal vorzudringen. Denn auch dort – so hatte Spirou in Erfahrung gebracht – sei der Besitzer der Hütte und Entdecker des Baums öfters unterwegs gewesen, der Jagd frönend. Also packte man zusammen, überquerte das Plateau und stieg den Berg hoch.
    Ein konstanter, zunehmend kühlerer Wind haftete sich an die erhitzten Körper. Ivo spürte wieder seinen Kopfschmerz, ohne daß diesmal der Wodka schuld gewesen wäre. Außer selbiger hätte in der Luft gelegen, was übrigens einige Schamanen, aber auch normale Bürger nicht nur in Sibirien behaupten, nämlich eine gewisse Alkoholhaltigkeit der Atemluft.
    Ivo Berg griff in seine Hosentasche, zog seinen psychoaktiven »Kaugummi« hervor und schob ihn sich in den Mund. Dieser wirkte weiterhin. Noch schneller als beim ersten Mal verflog die tektonische Irritation in Ivos Kopf, und nicht minder rasch stellte sich ein veränderter Blick ein. Das Blau des Himmels erschien wie auf einer dieser Fliesen, die im Werbefernsehen staatsstreichartig vom Dreck befreit werden. Wisch und weg! Zudem vernahm Ivo ein fernes Stimmengewirr, das der Wind dahertrug. Luftgeister wohl.
    Und tatsächlich, als er jetzt auf einer felsigen Bergkuppe eine Gruppe von Menschen gewahrte, da meinte er im ersten Moment, es handle sich um eine kaugummibedingte Illusion. Nicht nur, weil das einfach nicht die Gegend für Menschenansammlungen war, sondern vor allem wegen der konkreten Ausprägung dieser Ansammlung. Die sieben, acht Männer, dazu Kinder, sowohl Mädchen als auch Jungs,

Weitere Kostenlose Bücher