Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
Italiener hatten in Toad’s Bread kein Bein auf die Erde gekriegt oder es auch gar nicht versucht. Jedenfalls war das Fehlen von Pizzerien ein absolutes Glück zu nennen. In der kreisrunden Pizza spiegelt sich die bedauerliche Einfallslosigkeit mancher Menschen und vieler Esser. Was aber nicht heißt, der kulinarische Westen wäre nicht vertreten gewesen. So gab es etwa Wirtshäuser, in denen diverse europäische Kocharten zu einem Brei vermengt wurden, aber einem Brei gleich einer raffinierten Mixtur aus Schach, Dame und Halma. Vor allem aber muß erwähnt werden, daß sich im Inneren dieser versponnenen Stadt eine Großzahl winziger Lokale befand, in denen nichts anderes serviert wurde als eine Reihe von Fliegenpilzspeisen. Wenn man wußte, wieviel Pilzfleisch hier konsumiert wurde, und man außerdem bedachte, daß Amanita muscaria – das sogenannte Weltenei – einerseits zu den unzüchtbaren Schwämmen gehörte und andererseits so weit im Norden und Osten sehr viel seltener gedieh, mußte man die Vermutung aufstellen, überall auf der Welt würden Fliegenpilze gesammelt, nur, um auf alten und neuen Handelswegen nach Toad’s Bread transportiert zu werden.
    Wie auch immer, die Stadt verdiente ihren Namen. Und sosehr auch an jeder Ecke der Müll das Bild bestimmte, so kann man sagen, daß die Düfte der zahlreichen Küchen den Geruch von Abfall und Dreck überlagerten.
    Â 
    Als Kallimachos, Ivo und die anderen jetzt auf den Marktplatz traten, in das Gemisch aus Menschen und Waren, da kam ein Mann auf sie zu. Er war alleine, ein kleiner Mann mit einem Gesicht, das aussah, als sei es mit einem Stichel in eine Kupferplatte geritzt worden. Mit seinen gefurchten Augen schaute er zu Kallimachos hoch und bat darum, er möge ihm folgen.
    Kallimachos löste sich aus dem Arm seiner Begleiterin und folgte allein mit Hilfe seines Stocks dem kleinen Mann mit dem Kupferplattengesicht durch die Menschenmenge, hinüber zur Häuserfront. Ivo, Spirou, Galina und die Ewenken trieben in seinem Kielwasser. Man betrat ein Restaurant, dessen Türschild von der schwarz-gelben Gestalt eines Feuersalamanders geschmückt wurde. Ein Tier, das es ja nur in Europa gibt. Nun, es war ja auch ein griechisches Restaurant, in das die Reisenden gelangt waren.
    Aus den Lautsprecherboxen tröpfelte griechischer Wein. Harzig.

III
Zukunft
    Â 
    Â 
    Das erste Wort aus dem Munde eines Samurai ist wichtig, weil dieses eine Wort seine Tapferkeit offenbart. [...] Das erste Wort ist sozusagen die Blume des Samurai-Geistes; es entzieht sich angemessener Beschreibung.
    Â 
    ( Hagakure – Der Weg des Samurai,
Yamamoto Tsunetomo)
    Â 
    Â 
    Â 
    Weißt du, was komisch ist? Bevor ich hier hereinkam, dachte ich, ich würde gut aussehen.
    Â 
    (Nebendarsteller aus der Fernsehserie Fringe,
welcher die Eröffnungssequenz nicht überlebt)

15
    Lilli Steinbeck betrat den weiten, kalten Raum. Sie fühlte sich, als marschiere sie durch die extreme Verlängerung eines Gefrierschranks. Nur, daß hier kein totes Gemüse und keine toten Tiere lagen, sondern tote Menschen. Lilli befand sich im Obduktionsraum der Gerichtsmedizin von Toad’s Bread. Denn obgleich diese Stadt ohne ein herkömmliches Rechtswesen auskam, so besaß sie durchaus eine Rechtsmedizin. Sowie eine Strafbehörde, die Übergriffe ahndete. Streifenpolizisten gab es keine, da die Ordnung auf den Straßen und Plätzen jenen überlassen war, welche die Schutzgelder einzogen. Oder den Frauen, die das System der Prostitution aufrechterhielten. Kriminalpolizisten hingegen … nun, die brauchte es schon. Sie verfolgten jene, die das kriminelle Regelwerk mißachteten, die sich dazu verstiegen, ein ganz eigenes, unabhängiges und ungeprüftes Verbrechen zu begehen.
    Einem solchen Kriminalpolizisten trat Lilli jetzt entgegen.
    Der Mann war von mittelgroßer, kompakter Statur. Nicht dick, auch nicht dünn, sondern massiv, monolithisch. Er trug einen kupferfarbenen Anzug. Sein Gesicht jedoch war frei von den Spuren eines graphischen Tiefdruckverfahrens. Es war eher ein Aquarellgesicht. Was für einen Japaner ungewöhnlich war, so eine Verwaschenheit der Züge. Als sei das Aquarell noch nicht beendet. Als würde da jemand ständig Veränderungen im Gesicht vornehmen. Die Stimme allerdings war präzise, frei von Zweifeln. Der Mann fragte Lilli, ob er ihr einen

Weitere Kostenlose Bücher