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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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auf Süßwasser gelte. Unter dem Lungenfell habe man verwaschene Blutungen entdeckt, da die eingedrungene Flüssigkeit eine Auflösung der roten Blutkörperchen bewirkt. Auch sei der obligate Schaum im Magen zu finden gewesen, zudem Risse in der Magenschleimhaut als Resultat verschluckter Ertrinkungsflüssigkeit. Diverse Hämatome im rückseitigen Hals- und Schulterbereich wie auch im Bereich der Kniekehlen und des rechten Arms würden die Annahme rechtfertigen, das Opfer sei bis zum Eintreten des Todes gegen seinen Willen vornüber in ein Gefäß mit Wasser gedrückt worden. Eine Verschleierung einer anderen Tötungsmethode könne man nach dieser Untersuchung ausschließen. Zudem würden ja sämtliche Faktoren mit denen der anderen Mordopfer übereinstimmen. Übrigens habe die Analyse ergeben, daß die Opfer mit dem gleichen Wasser, mit dem der Täter sie ertränkt hatte, auch gereinigt worden waren. Wobei die Art der Reinigung weniger ein Vertuschen von Spuren nahelege, sondern eher eine detaillierte Waschung. Die Tilgung von Spuren erscheine diesbezüglich bloß als ein willkommenes Nebenprodukt.
    Nachdem die Ärztin dies alles in einer monotonen Weise vorgetragen hatte, tat sie einen Schritt zurück und verfiel in die alte, etwas schräge Haltung. Gleich der erlahmten Figur auf einer Spieluhr.
    Lilli senkte ihren Blick hinunter auf den gläsern anmutenden Leichnam der vielleicht dreißigjährigen Frau mongolischer Abstammung. Ihr kam der Gedanke, daß die Toten wie Spiegel waren, in denen sich aber nichts mehr spiegelte. Sie berührte mit einem Finger den erkalteten Leib. Und in der Tat schien es ihr, als schlucke die Haut den Schatten des Fingers. Sie zog die Hand wieder ein, wandte sich an Yamamoto und fragte: »Ausschließlich Frauen?«
    Â»Ausschließlich. Mit dieser hier vier. Alle in den mittleren Jahren, verschiedene Nationalitäten. Zwei verheiratet, zwei ledig, drei davon Mütter, die letzte hier kinderlos.«
    Â»Gab es Verbindungen zwischen ihnen?«
    Â»Keine, von denen wir wüßten. Aber das ist natürlich schwer zu sagen. Im Grunde sind alle in dieser Stadt irgendwie verbunden. Es ist ein Adergeflecht, ein Blutkreislauf, ein Ameisenstaat. Kaum auszuschließen, daß ein jeder in Toad’s Bread einem jeden anderen bereits einmal begegnet ist.«
    Â»Aber keine Hinweise auf den Täter, nicht wahr?«
    Â»Nicht ganz«, sagte Yamamoto. »Wir haben etwas gefunden. Bei der letzten Leiche hier.«
    Er faßte den rechten Arm der Toten und drehte am Handgelenk, so daß die Innenhandfläche sichtbar wurde. Inmitten der grauweißen, faltigen Ebene prangte ein bläuliches Muster. Es sah aus wie der Abdruck eines Stempels, so einer mit einem Weihnachtsmuster. Ja, man konnte meinen, es ziehe sich quer über die gesamte Innenhand die schematische Abbildung eines Tannenbaums.
    Aber es war kein Stempel, wie Yamamoto erklärte, sondern eine Reihe von Blutergüssen, die entstanden sein mußten, als sich diese Hand mit aller Kraft um einen Gegenstand geschlossen hatte. Oder von jemand dazu gezwungen worden war. Jedenfalls war der Druck gegen das längliche Objekt so heftig gewesen, daß sich quasi das Oberflächenmuster in die Handfläche gebrannt hatte.
    Yamamoto vermutete, daß die Frau in ihrem Todeskampf den Gegenstand in ihrer Hand mit verletzender Kraft umklammert hatte, oder aber bemüht gewesen war, ihn vor ihrem Mörder zu verbergen. Was nicht gelungen war, da kein passendes Objekt am Tatort gefunden worden war.
    Yamamoto hätte jetzt Lilli Steinbeck ein wenig raten lassen können, um dann triumphierend das Resultat seiner Untersuchung bekanntzugeben. Aber eine solche Vorgangsweise hätte der samuraischen Ethik vollkommen widersprochen. Verachte berechnende Feiglinge. Darum also erklärte er unumwunden, es handle sich bei dem Muster um das eines eiförmigen, reifen, also bereits verholzten Lärchenzapfens.
    Â»Sicher?« fragte Lilli, wie man fragt: »Ein Zahn in der Suppe, ehrlich?«
    Â»Wie sicher hätten Sie es denn gerne?« bewies der Samurai, daß er hin und wieder auch zur Ironie imstande war. Erklärte aber sogleich, daß kein Irrtum bestehe. Es handle sich bei dem unmittelbaren Verursacher dieser Blutergüsse eindeutig um den Zapfen einer Lärche, wie sie in diesem Landstrich vorzufinden sei: einer Dahurischen

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