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Die Haischwimmerin

Die Haischwimmerin

Titel: Die Haischwimmerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Lärche.
    Â»Das heißt, wir suchen jetzt eine Lärche, beziehungsweise den Zapfen. – Das ist recht vage.«
    Â»Es ist das, was wir haben.«
    Â»Na, wir haben noch drei weitere Leichen, die würde ich mir auch gerne ansehen.«
    Â»Die wurden bereits beerdigt«, sagte Yamamoto. »Genauer gesagt, verbrannt.«
    Â»So rasch?«
    Â»Nicht rascher als nötig. Hier ist alles sehr beengt. Kein Platz, um die Toten sich ausruhen zu lassen.«
    Â»Nun gut, das kann ich nicht ändern. Was schlagen Sie vor?« fragte Lilli.
    Yamamoto griff nach einem Packen Photos, den ihm die Ärztin reichte. Sämtliche Bilder zeigten das Muster auf der Innenhandfläche des Opfers. Yamamoto schlug vor, in der Stadt ein paar Leute aufzusuchen und zu befragen, ob ihnen zu der Geschichte mit dem Zapfen etwas einfalle. Selbstverständlich auch die Familie der toten Frau.
    Â»Ich wundere mich nur«, meinte Lilli, »warum, wenn dieser Abdruck tatsächlich eine Bedeutung hat, er dann bei den anderen Frauen fehlt.«
    Â»Auch das stimmt nicht ganz. Bei zwei von den anderen hatten wir Harz unter den Fingernägeln gefunden. Baumharz. Das hat uns natürlich nicht weiter beschäftigt. Was findet man nicht alles unter Fingernägeln. Eine kleine Mülltonne. Aber jetzt erscheint dies in neuem Licht.«
    Â»Eine andere Frage noch«, sagte Lilli und trat an Yamamoto heran, so daß sie mit ihrem hellen, glatten Sandsteingesicht, dem Wangenrouge und dem Terrakottaton ihrer Lippen fast ungehörig nahe am etwas tiefer gelegenen Antlitz des Samurai stand. Welcher natürlich nicht nur die Bergseefarbe von Lillis Augenpaar deutlich wahrnahm, sondern ebenso deutlich ihre mehrfach gebrochene Nase. Etwas, das viele Männer verunsicherte, dieses provokante »Stehenlassen« eines Unfalls.
    Yamamoto gehörte nun aber zu den wenigen, die sich nicht verunsichern ließen. Für ihn war dieses Gesicht perfekt. Denn erst die Wunde – ihre lebenslängliche Präsenz – gab diesem schönen Gesicht seine Vollständigkeit.
    Lilli spürte das und war zufrieden. Denn es lag ihr ja gar nichts daran, Männer zu dominieren oder zu verwirren. Das waren die meisten Männer gar nicht wert. Und die, die es wert gewesen wären, bei denen war es ja überflüssig. Das war gewissermaßen Lillis eigener Samuraikodex.
    Aber eine Frage mußte noch gestellt werden. Lilli stellte sie: »Was tue ich hier? Ich denke, Sie sind doch clever genug, diesen Fall ohne mich zu lösen. Sie kennen die Stadt, ich kenne die Stadt nicht.«
    Â»Es war nicht meine Idee, Sie kommen zu lassen. Die Behörde wollte es so. Die Ewenken in der Verwaltung. Die haben hier einiges zu sagen. Wir haben das beide zu akzeptieren.«
    Â»Gut«, sagte Lilli und trat wieder einen Schritt zurück.
    Â»Wollen Sie eine Dienstwaffe?« fragte Yamamoto, der stets mit zwei Berettas ausgestattet war, den berühmten Zweiundneunzigern. Wenn also schon keine Pizzerien und keine Cosa Nostra in dieser Stadt anzutreffen waren, so war das italienische Element auf diese eine Weise vertreten.
    Lilli aber lehnte dankend ab. Sie sagte: »Ich habe es nicht so mit dem Schießen. Ich tue mich schwer, zu treffen, was ich treffen möchte. Und besser als daneben schießen ist nicht schießen, oder?«
    Â»Ich könnte Ihnen Unterricht geben«, schlug Yamamoto vor, wobei er erstaunt war, zu sagen, was er sagte. Im Grunde vertrat er die Ansicht, daß Frauen nichts im Polizeidienst verloren hatten. Wobei er kein Weiberfeind war. Aber er fand, es bestehe eine Männer- und eine Frauenwelt, die sich nur dort überschneiden sollten, wo die Fortpflanzung und die Folgen der Fortpflanzung es erforderten. Darum war es ihm mehr als unbehaglich, daß es sich bei allen Toten um Frauen handelte. Der gewaltsame Tod hätte nach seiner Anschauung ein männliches Privileg darstellen sollen.
    Â»Lieb von Ihnen«, antwortete Lilli auf das Angebot einer Schießausbildung. »Aber das ist nicht nötig.« Wobei zu sagen wäre, daß Lilli in ihrer Umhängetasche neben einer Box mit Erfrischungstüchern der Marke 4711, einem historischen Parfüm namens L’Air du Temps , einem Fläschchen Dans la Nuit II , einer sehr speziellen Puderdose, einem übersichtlichen Schminkset sowie einer stark zerlesenen Taschenbuchausgabe von Thomas von Kempens Die Nachfolge Christi auch eine

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