Die halbe Sonne
Zeit sei einzusehen, dass die Akademien der Antike in Ruinen lägen. Gewerkschaftliche Hilfe würde beim Wiederaufbau sicher nicht schaden.
Seinem Willen zur Unabhängigkeit entspringt sein Bedürfnis nach Gleichgewicht. In Papandreous Nachfolger sieht der Vater einen Politiker, dessen Handeln weder sein eigenes noch das Wohl der Partei im Auge zu haben scheint. Das ruhige Blut des Mannes beeindruckt ihn. Er wird in dem Glauben bestärkt, dass die Nation vielleicht doch noch zu einer erwachsenen Demokratie heranreifen kann, in der Verantwortung, Fürsorge und Gerechtigkeit keine leeren Worte bleiben. Andererseits bezweifelt er, dass der Premierminister Erfolg haben wird. Ist er nicht viel zu vernünftig, um es zu schaffen? Er spricht doch nicht Herz oder Bauch des Volks an, sondern seinen Verstand. Ob Maß zu halten in Griechenland jemals funktionieren wird?
Der kleine Umschlag
In einer Kultur, in der ein fakeláki oder »kleiner Umschlag« erforderlich ist, damit Bürokraten Stempel benutzen, fällt es einem schwer zu glauben, dass es Leute gibt, die aus anderen Beweggründen als dem eigenen Vorteil handeln. Wie die meisten beklagt der Vater die Korruption, wundert sich aber nicht. Immerhin macht sie die Menschen berechenbar.
Eines Tages benötigt er eine Bescheinigung, weil er sonst Gefahr läuft, einen unerwarteten Rechtsstreit um ein Grundstück zu verlieren. Als er nach seiner Rückkehr ins Heimatland ein weiteres Grundstück kaufte, um seinen Kindern zu ermöglichen, später darauf zu bauen, gestattete er einem Bauern, einen Teil davon als Durchfahrt zu benutzen. Im Laufe der Zeit ist der Traktor so oft hin und her gerollt, dass der Mann das Land als sein eigenes betrachtet. Um es gegen Erosion zu schützen – es gibt einen Fluss in der Nähe –, errichtet er Zäune. Bedauerlicherweise wird das Nutzungsrecht nie formell festgelegt und die Grundstückspläne gewähren einen gewissen Deutungsspielraum zum Vorteil des Bauern. Als er stirbt und Verwandte den Hof übernehmen, steht fest: Wenn der Vater keine handfesten Beweise vorlegen kann, wird er diesen Streifen Land niemals zurückerhalten.
Er appelliert an die für Agrarfragen zuständige Behörde der Region, merkt jedoch, dass der verantwortliche Bürokrat auf der gegnerischen Seite steht. Sind die Leute verwandt, oder ist er lediglich bestochen worden? Der Unterschied ist so entscheidend wie der zwischen Erbgut und Erkältung: nur gegen letztere gibt es Medikamente. Personen, die um Rat gefragt werden, können es nicht beschwören, aber möglicherweise ist der Bürokrat tatsächlich mit einer Cousine zweiten Grades des Verstorbenen verheiratet. Wenn der Vater keine einflussreichen Freunde hat, kann er die Hoffnung aufgeben. Aber ist das so tragisch? Es geht doch nur um ein bisschen unbrauchbares Land.
Trotzig schließt er sich mit dem Telefon ein, dann ruft er überall an. Am nächsten Morgen bittet er seine Frau, die Lokalzeitung so klein zu schneiden, dass die Schnipsel aussehen wie ein Stapel Geldscheine. Er ist verschwiegen, aber aufgekratzt. Der Stapel wird in einen Umschlag gesteckt, den er aus der Hemdtasche lugen lässt. Auf der Treppe zur Behörde trifft er den Bürgermeister der Stadt, dessen kranke Tochter er gerade heilbringend in eine Athener Klinik überwiesen hat. Der Politiker stellt ihn als Philanthropen vor. Der Sachbearbeiter breitet die Hände aus. Warum hat er das nicht früher erfahren? Als der Vater zufällig die Brusttasche berührt, winkt der Mann ab. Es ist die einfachste Sache der Welt, die Dokumente zu stempeln. Auch ein Sachbearbeiter kann Philanthrop sein.
Die dreizehnte Station
Der Vater bricht den Oreganozweig, den er in der Hand hält, dann zerreibt er die Blüten zwischen den Handflächen. Der Sohn sieht die trockenen Krümel zu Boden fallen und denkt: Wir hätten den Esel nehmen sollen.
Sie sitzen unter dem höchstgelegenen Hochspannungsmast über dem Heimatdorf. Der Sohn hat in Erfahrung gebracht, dass ein prachtvolles Stück Land zum Verkauf steht, braucht aber Hilfe bei den Verhandlungen. Das Grundstück liegt oberhalb der Schwefelquellen des Kurhotels, auf jener Seite des Bergs, an der sich nur Tiere mühelos fortbewegen können. Auf dem Weg nach oben haben sie die Autoscheiben heruntergekurbelt und sich durchgefragt. Schließlich zeigt ihnen eine Frau, die seitlich auf einem Esel sitzt, den Weg. Elias’ Feld? Geradeaus, immer geradeaus. Bei den Zypressen endet die Straße allerdings, ab da müssen sie
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