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Die halbe Sonne

Die halbe Sonne

Titel: Die halbe Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aris Fioretos
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Schwedisch, in verschiedenen Abstufungen. Darüber hinaus gibt es noch Arbeitskollegen aus Dänemark und Norwegen, die jedoch nicht als Ausländer zählen.
    Aus Griechenland kommt allerdings niemand. Die einzige Person griechischer Herkunft trifft ihre Landsleute nicht mehr so wie früher, als ihr Zuhause Neuankömmlingen stets offen stand. Das ist weder ein Wunsch noch ein Entschluss, sondern die Folge gesellschaftlicher Zusammenhänge. Alte Bekannte, denen der Vater Jobs in Schulen, Saftfabriken und Druckereien verschafft hat, sind weitergezogen, und unter den Angestellten im Krankenhaus gibt es keine Griechen. Nur wenn sich Landsleute mit Anliegen medizinischer Natur an ihn wenden, begegnen die Kinder folglich Kindern mit einem ähnlichen familiären Hintergrund. Das sieht der Vater voller Erwartungen. Er will sich in ihren Spielen und Schimpfwörtern wiedererkennen, aber seine Hoffnungen werden enttäuscht. Nach tastenden Versuchen, sich verständlich zu machen, ziehen seine Söhne es vor, miteinander zu spielen.
    Auf dem Heimweg denkt der Vater darüber nach, was er getan hat. Und nicht getan hat. Laut erkundigt er sich, ob es für seine Söhne nicht nett war, Jungen gleicher Herkunft zu treffen. Können sie ihm vielleicht dieses Kartenspiel beibringen? Er hat vergessen, wie es geht. Wenn sie vorsichtig sind, dürfen sie im übrigen auch den Fluch benutzen, den sie gelernt haben. Ob sie wissen wollen, was er bedeutet? Schaut, sagt er und tut so, als würde er sich ein Feigen- oder vielleicht auch Birkenblatt vor den Mund halten. Wenn man die Mutter eines anderen Jungen nimmt und…
    Als er die einsilbigen Erwiderungen auf der Rückbank hört, verliert er den Faden. Hilflosigkeit fusselt in seiner Brust, er reibt mit dem Ärmel über die Windschutzscheibe. Wieder denkt er darüber nach, was er getan und nicht getan hat. Sowie über den Umzug, von dem seine Kinder noch nichts wissen. Als einer der Söhne schließlich den Fluch murmelt, schimpft auch der Vater. Er haut auf das Lenkrad und gelobt, sich öfter mit seinen Landsleuten zu treffen. Anschließend verkündet er, dass er ihnen etwas erzählen muss.

Anfang

    In der Küche, wo der Sohn gerade erfährt, dass die Familie umziehen wird, sieht er eine Skulptur aus Zement – eine Unterarmlänge hoch, zwanzig Zentimeter breit. Er weiß, dass der Vater sie gemacht hat, aber nicht wann. Die Figur erinnert an eine Amphore. Sie besteht größtenteils aus einem runden Mittelstück mit zwei Hügeln vorne, denen weiter unten ein Hügel auf der Rückseite entspricht. Im Profil sieht man, dass es sich um Brüste und Po handelt.
    Während er zu ignorieren versucht, was er hört, überlegt er, dass die Zementsäule dem ersten Buchstaben im Nachnamen der Familie ähnelt. Dort oben steht das griechische Zeichen, mit dem alles beginnt. Er kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Figur, unerwartet verlegen, den Kopf senkt, da nun wieder einmal die Koffer gepackt werden sollen. Und alles wieder von vorne anfangen muss.

Als es den Vater nicht mehr so gibt, wie es ihn gegeben hat, wird einem Bruder die Frage gestellt, was ihm von den Jahren in Mittelschweden für immer in Erinnerung bleiben wird

    »Der Haarwirbel. Er hat wirklich versucht, ihn wegzuschneiden.«

Und dir, Bruder Nummer zwei?

    »Erinnerst du dich an die alte Uhr, die er mir als Belohnung dafür geschenkt hat, dass ich mitkam? Wenn ich das Lederarmband an die Nase hob, roch ich jedes Mal seinen Geruch.« Pause. »Dann noch das, was er sagte, als wir fünf Jahre später zurückzogen. ›Du musst lernen, dich zu irren.‹«

    Und was ist mit dir, Schwester?

    »Ich war zu klein. Aber vielleicht die Stimme, wenn er mich an sich drückte. Sie war wie ein reifer Pfirsich.«

Eine neue These über ausländische Väter

    XVIII. Ein ausländischer Vater gesteht bereitwillig, dass er möglicherweise einen Fehler gemacht hat. Er wird jedoch das Gefühl nicht los, dass dies Teil eines noch unbekannten Plans ist. Deshalb lächelt der ausländische Vater, wenn er hilflos die Hände ausbreitet und gleichzeitig mit dem Kopf nickt. »Was soll ich sagen?«

Powwow mit Hähnchen

    Kein Tag in der Woche ist so bedeutsam wie der Sonntag und kein Teil des Sonntags so wichtig wie der Nachmittag. Zwischen drei und fünf herrscht Stille, danach ruft der Vater alle zur Besprechung zusammen. Freunde müssen heimgehen, Hausaufgaben vorher oder nachher gemacht werden. Um den Küchentisch versammelt, berichtet jeder von den

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