Die Halidon-Verfolgung - Ludlum, R: Halidon-Verfolgung - THE CRY OF THE HALIDON
stieß es auf. Er bedeutete McAuliff hindurchzugehen.
»Ich möchte mich für meinen Ausbruch vorhin entschuldigen«, sagte der Vorsitzende, während sie die Weide betraten. »Er hat den Falschen getroffen. Sie sind ein Opfer, kein Angreifer. Wir wissen das.«
»Und was sind Sie? Sind Sie ein Opfer? Oder ein Angreifer? «
»Ich bin der Vorsitzende des Rates. Wir sind weder das eine noch das andere. Das habe ich Ihnen bereits erklärt.«
»Sie haben mir vieles erklärt, aber ich weiß immer noch nichts über Sie«, sagte McAuliff. Er sah zu einem Tier hinüber, das im dunkler werdenden Licht der Weide auf sie zukam – ein junges Pferd. Es wieherte und tänzelte zögernd herum, während es sich näherte.
»Dieses Fohlen bricht ständig aus«, lachte Daniel, als er dem nervösen Tier auf den Hals klopfte. »Es wird schwierig sein, den hier zu dressieren ... Ab mit dir!« rief er und schlug dem Fohlen auf die Flanke. Bockend und wiehernd kehrte es auf die Weide zurück.
»Ich glaube, das genau meine ich«, sagte Alex. »Wie >dressieren‹ Sie – Menschen? Wie bilden Sie sie aus? Wie halten Sie sie davon ab auszubrechen?«
Daniel blieb stehen und sah McAuliff an. Sie waren allein auf der großen Weide, die von der untergehenden Sonne in bunte Farben getaucht wurde. Das Licht machte den Vorsitzenden zu einer Silhouette. McAuliff mußte die Augen mit der Hand beschatten. Er konnte Daniels Augen nicht sehen, aber er spürte sie.
»Wir sind in vielerlei Hinsicht ein unkompliziertes Volk«, sagte der Halidon. »Die Technologie, die wir brauchen, wird von draußen herbeigeschafft, zusammen mit dem, was wir für unsere medizinische Versorgung benötigen, den wichtigsten Maschinen für die Landwirtschaft und so weiter. Immer von Angehörigen unseres Stammes, die geheime Bergpfade benutzen. Abgesehen davon können wir uns hier selbst versorgen. Unsere Ausbildung – wie Sie das nennen – besteht darin, daß wir verstehen, welch ungeheure Reichtümer wir besitzen. Unsere Isolation ist beileibe nicht absolut. Das werden Sie noch sehen.«
Schon von Kindesbeinen an, so erklärte Daniel, werde einem Halidon gesagt, daß er privilegiert sei und sein Geburtsrecht durch seine Lebensweise rechtfertigen müsse. Der ethische Grundsatz, seinen Beitrag zu leisten, werde schon früh in der Erziehung verankert, ebenso wie die Notwendigkeit, das eigene Potential so gut wie möglich zu nutzen. Die Welt draußen beschreibe man bis ins Detail – Einfaches und Kompliziertes, Krieg und Frieden, Gut und Böse. Nichts verschweige man. Der Fantasie der Jugendlichen werde kein Raum für Übertreibungen gelassen. Realistische Verlockungen kompensiere man – vielleicht etwas zu streng, gab Daniel zu – mit realistischen Strafen.
Kurz vor seinem oder ihrem zwölften Geburtstag werde
der Halidon von Lehrern, den Altesten des Rates und schließlich vom Vorsitzenden selbst umfangreichen Tests unterzogen. Auf der Grundlage der Ergebnisse wähle man dann einige für die Ausbildung in der Außenwelt aus. Drei Jahre der Vorbereitung folgten, in denen man sich auf bestimmte Fähigkeiten oder Berufe konzentriere.
Wenn sie oder er sechzehn Jahre alt sei, bringe man sie oder ihn zu einer Familie in der Außenwelt, deren Vater und Mutter Angehörige des Stammes seien. Mit Ausnahme von seltenen Besuchen in der Gemeinschaft und Treffen mit den eigenen Eltern sei diese Familie für eine Reihe von Jahren Wächterin des Halidon.
»Gibt es keine Abtrünnigen?« fragte Alex.
»Selten«, erwiderte Daniel. »Der Auswahlprozeß ist sehr gründlich.«
»Was passiert, wenn er nicht gründlich genug ist? Wenn es ...«
»Diese Frage werde ich nicht beantworten«, unterbrach ihn der Vorsitzende. »Ich möchte Ihnen nur sagen, daß das Labyrinth Akabas eine Drohung ist, mit der kein Gefängnis konkurrieren kann. Dadurch wird die Zahl der Übeltäter – von innen wie auch von außen – auf ein Mindestmaß reduziert. Abtrünnige gibt es sehr selten.«
Der Klang von Daniels Stimme veranlaßte Alex, dieses Thema lieber nicht weiterzuverfolgen. »Sie werden wieder zurückgebracht?«
Daniel nickte.
Die Bevölkerung der Halidon übe eine freiwillige Geburtenkontrolle aus. Daniel erklärte, daß es für jedes Paar, das mehr Kinder wolle, auch ein Paar gebe, das weniger oder überhaupt keines wolle. Und zu McAuliffs Überraschung fügte der Vorsitzende hinzu: »Es finden Heiraten zwischen uns und den Menschen in der Außenwelt statt. Das ist natürlich unvermeidlich
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