Die Halidon-Verfolgung - Ludlum, R: Halidon-Verfolgung - THE CRY OF THE HALIDON
Langsam hellte sich der Nebel auf, und dann konnte er wieder klar sehen. Er blickte zu den Reihen der Halidon hinauf, zu den auserwählten Angehörigen des Stammes von Akaba.
Alle, jeder einzelne von ihnen, starrten auf den uralten ausgedörrten Leichnam hinter den goldenen Stäben.
Alex wußte, daß sie sich während des ohrenbetäubenden Wahnsinns, der ihn beinahe um den Verstand gebracht hatte, nicht bewegt hatten.
Er wandte sich zu Daniel um. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Auch der Vorsitzende des Rates stand wie erstarrt da, die schwarzen Augen weit aufgerissen, die Kiefer aufeinandergepreßt, das Gesicht bewegungslos. Aber etwas war anders als bei den anderen. Daniel liefen Tränen über die Wangen.
»Ihr seid verrückt – alle«, sagte Alex leise. »Ihr seid wahnsinnig ...«
Daniel antwortete nicht. Er konnte ihn nicht hören. Er war wie hypnotisiert.
Alle waren wie hypnotisiert, alle, die sich in diesem aus dem Feld gehauenen Grab unter der Erde befanden. Fast einhundert Männer und Frauen, gefangengehalten von einer Macht, die jenseits von McAuliffs Vorstellungskraft lag.
Autosuggestion. Gruppenhypnose. Was auch immer der Katalysator war – alle Anwesenden in diesem primitiven
Amphitheater waren wie in Trance und nicht ansprechbar. Auf einer anderen Ebene — Zeit und Ort unbekannt.
Alexander kam sich vor wie ein Eindringling. Er war Zeuge eines Rituals, das nicht für seine Augen bestimmt war.
Aber er hatte nicht darum gebeten, hier zu sein. Sie hatten ihn dazu gezwungen, ihn aus seiner Umgebung herausgerissen, und jetzt war er Zeuge.
Doch das, was er mitansah, erfüllte ihn mit Trauer. Er konnte es nicht verstehen. Sein Blick wanderte zu dem Körper hinüber, der einst ein Riese gewesen war – Akaba.
Er starrte auf das zusammengeschrumpfte Fleisch des Gesichtes, das einmal schwarz gewesen war. Auf die im Tod so friedlichen, geschlossenen Augen. Auf die riesigen Hände, die über dem rötlichschwarzen Gewand gefaltet waren.
Dann wieder auf das Gesicht – die Augen — die Augen ...
O mein Gott!
Die Schatten spielten ihm einen Streich – einen furchtbaren, grauenhaften Streich.
Der Körper Akabas bewegte sich.
Die Augen öffneten sich. Die Finger der gewaltigen Hände spreizten sich, die Handgelenke drehten sich, die Arme hoben sich – Zentimeter über das uralte Tuch.
Flehentlich.
Und dann war es vorbei.
Er sah nur einen zusammengeschrumpften Leichnam hinter einem Gitter aus Gold.
McAuliff preßte sich an die Felswand hinter seinem Rücken und versuchte verzweifelt, wieder zu klarem Verstand zu kommen. Während er die Augen schloß und tief durchatmete, klammerte er sich an dem Stein fest. Das konnte einfach nicht passiert sein! Es war einfach eine Art Massenhypnose durch einen Zaubertrick, die von der Erwartung der Anwesenden und diesem verdammten, unheimlichen, ohrenzerreißenden Ton verstärkt worden war! Aber er hatte es gesehen! Und es erfüllte ihn mit ungeheurem Grauen. Er wußte nicht, wieviel Zeit vergangen war — eine Minute, eine Stunde, ein Jahrzehnt des Schreckens, bis er Daniels Stimme hörte.
»Sie haben es gesehen.« Eine mit leiser Stimme getroffene Feststellung. »Haben Sie keine Angst. Wir werden es nie wieder erwähnen. Es ist nichts Böses daran. Nur Gutes.«
»Ich – ich ... « Alexander konnte nicht sprechen. Der Schweiß rann ihm über das Gesicht, obwohl die in den Fels gehauene Versammlungsstätte des Rates kühl war.
Daniel erhob sich und ging zur Mitte der steinernen Plattform. Doch statt zum Volk Akabas zu sprechen, drehte er sich zu McAuliff um. Seine Worte waren geflüstert, aber wie schon zuvor klar und deutlich zu verstehen. Sie hallten von den Wänden wider.
»Die Lehre Akabas ist für alle Menschen bestimmt, so wie die Lehren aller Propheten für alle Menschen bestimmt sind. Aber nur wenige hören zu. Trotzdem muß die Arbeit weitergehen. Für jene, die sie verrichten können. So einfach ist das. Akaba wurden große Reichtümer zum Geschenk gemacht – jenseits der Vorstellungskraft derer, die nicht zuhören wollen, die nur stehlen und zu Schlechtem verleiten ... Daher gehen wir in die Welt hinaus, ohne daß die Welt davon weiß. Und wir tun, was wir können ... So muß es auch allezeit bleiben, denn wenn die Welt es wüßte, würde die Welt uns mißbrauchen, und das Halidon, der Stamm Akabas, und die Lehre Akabas würden zerstört werden ... Wir sind keine Narren, Dr. McAuliff. Wir wissen, mit wem wir sprechen, mit wem wir unsere
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