Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
Totengräber, nein, endlich war er Brutus, der edle Herr in der Gesellschaft edler Herren. Er war am Ziel seiner Träume!
„Ihr Herren“, sprach er, „seid zu gütig zu einem Mann, der schon lange auf die Gesellschaft von Leuten seines Standes verzichten musste. Ich darf vielleicht sagen, dass ich eine gewisse Bildung genoss und darauf hungere, mit anderen Gebildeten zu konversieren. Außerdem ist es um meine Solvenz gut bestellt. Ich darf wohl sagen, dass ich, sobald ich meine Reichtümer erst hierher transferiert habe, mir einen standesgemäßen Wohnsitz zu erwerben gedenke.“
„Hört, hört!“, sprachen die Herren am Tisch und nickten einander zu. „Bildung, hohe Geburt und Reichtum, welch schöne Kombination!“
Lars trat vorsichtig bis an die Schwelle. Mike folgte ihm, Hans ebenfalls, forderte die anderen jedoch auf, zurückzubleiben. Als sie ihre Augen anstrengten und genau besahen, was sich vor ihnen befand, wussten sie, was sie schon geahnt hatten.
Von hinten hörte Lars Andreas Stimme. „Ich glaube, dass sind die Dämonen, die ihre Kräfte bündeln und nicht so leicht zu besiegen sind. Wir sollten hier schleunigst verschwinden.“
„Brutus!“, rief Lars leise, „setz dich nicht dorthin. Hier ist nicht der Ausgang.“
Der Angesprochene sah sich flüchtig um, dann warf er den Gefährten einen hochmütigen Blick zu und brach in schallendes Gelächter aus. Die Herren am Tisch stimmten mit ein.
„Ich glaube, es ist schon zu spät“, murmelte Hans.
Die Grünfläche, die auf den ersten Blick ein Rasen hätte sein können, war ein sehr langfloriger Teppich. Die weißen Wolken veränderten sich keine Spur, denn sie waren wie der blaue Himmel an eine kuppelförmige Decke gemalt. Was auf den ersten Blick nach weitem Horizont ausgesehen hatte war eine geschickte optische Täuschung, die auf die hinteren Wände gemalt worden war. In dieser scheinbaren Idylle nahm Brutus am Tisch Platz, gleich neben dem Mann mit der Königskrone. Sein Blick lag stolz und schon sehr verächtlich auf denen, die eben noch seine Gefährten gewesen waren.
Lars versuchte es aufs Neue. „Brutus, wenn hier der Ausgang wäre, dann müsste hier Hallgard sein. Siehst du sie irgendwo?“
„Leb wohl, Brutus“, murmelte Hans mit heiserer Stimme und legte Lars eine Hand auf die Schulter, zog ihn dabei leicht zurück. „Ich hätte dir etwas Besseres gewünscht.“
Der Mann mit der Krone aber sprach: „Ab heute sollt Ihr, Brutus, ein Edler und Adliger in meinem Reich sein. So nehmt denn von mir die Zeichen und Insignien Eurer neuen Würde entgegen.“
Der Mann griff nach etwas, was unter dem Tisch gelegen hatte. Er reichte es Brutus, dem plötzlich das Lächeln auf den Lippen gefror. Ungläubig starrte er auf den Mann mit der Krone. Der lächelte Brutus an. Der in schwarz gekleidete Mann begann erst leise, dann immer lauter zu lachen. Die Herren stimmten mit ein. Schließlich brüllte Brutus vor Lachen, die Tränen liefen dabei über sein verzerrtes Gesicht, das schon vom Irrsinn gezeichnet war. Er nahm mit einer angedeuteten Verbeugung von dem Mann mit der Krone einen Strick entgegen, in den ein Henkersknoten geflochten war, und eine Axt mit schartiger, blutverschmierter Klinge.
„Seid fortan Brutus, der Henker der Halle des unermesslichen Reichtums und des immerwährenden Glücks“, sagte der Mann mit der Krone. „Denn auch der Henker gehört zum Gefolge des Königs.“
Die Gefährten mussten mit ansehen, wie sich das Licht in dem Raum änderte. Es wurde dunkel, über den gemalten Himmel, der nun düster und bedrohlich aussah, zuckten Blitze. Auch die dreizehn Gestalten am Tisch veränderten sich. Die Kleidung verlor jede Farbe und Helligkeit, so dass sie im Nu so schwarz wie die von Brutus war. Wo eben noch helle Haut gewesen war, ragten nun schwarze Knochen aus der Kleidung. Die Gestalt, die Brutus ihren Platz angeboten hatte, ging zur Tür und warf die beiden Flügel zu, dass sie mit einem Donnerknall zusammen krachten. Die Gefährten sprangen entsetzt zurück.
Die beiden Wachen nahmen ihre Hellebarden vom Boden auf, dann ihre frühere Haltung wieder ein.
„Ich habe ihm ja gesagt, dass es ihm noch Leid tun würde“, meinte der Linke.
Der Rechte grinste wieder dümmlich. „Ja, hat ihm auch Leid getan, konnte man sehen, hehe!“
Zu verschreckt und schockiert, als dass sie etwas hätten sagen können, gingen die Gefährten weiter. Ohne eine bestimmte Richtung zu verfolgen ließen sie sich von der Menschenmenge
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