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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Verstehe, sagt Lexie. Ob Mr. Lowe viel Zeit mit Mr. Fitzgerald verbringe? Die Frau grinst und schüttelt den Kopf. Nein. Er - und damit meint sie Fitzgerald - arbeite an etwas, an etwas Großem, und wolle nicht gestört werden. Jeden Tag klopfe Mr. Lowe an die Ateliertür, und jeden Tag sage er, nein, heute nicht.
    Nachdem die Haushälterin hinausgegangen ist, schläft Theo fast auf der Stelle ein. Lexie legt ihre Notizbücher und Stifte auf den Frisiertisch. Sie zieht sich einen wärmeren Pullover an und späht aus dem quadratischen Fensterchen, das in die dicke Bruchsteinmauer eingelassen ist. Sie sieht eine kleine, mit Moos überzogene Terrasse, einen einsamen Holztisch, an dem ein paar Stühle lehnen. Ein langbeiniger schwarzer Hund trottet über die Terrasse, bleibt stehen, um den Boden zu beschnuppern, und läuft in die entgegengesetzte Richtung weiter.
    Plötzlich merkt Lexie, wie ausgehungert sie ist. Vorsichtig, ganz vorsichtig, damit er nicht aufwacht, setzt sie Theo in die Trage. Der schmale Gang, der zur Treppe führt, ist leer, an den Wänden Reihen von Stühlen. Sie öffnet auf gut Glück eine Tür: eine Bibliothek, die nach Schimmel riecht; sie öffnet eine zweite: ein Badezimmer mit abgeblätterter Wandfarbe, in der Wanne ein grüner Fleck von einem tropfenden Wasserhahn. Sie geht nach unten. Nachdem sie die
Küche gefunden hat, zögert sie kurz, dann schaut sie in einen Schrank. Ein buntes Sammelsurium aus Tellern, Tassen und Angelzeug. In einem Tontopf mit Deckel entdeckt sie ein halbes Brot. Sie reißt sich ein Stück ab und steckt es in den Mund.
    Sie spaziert über die Terrasse, durch den Garten, über die Rasenflächen, die von Ampfer und Klee überwuchert sind. Theo schläft und schläft; sein Kopf liegt schwer und warm an ihrem Hals. Sie findet einen Swimmingpool, der nur Blätter und eine schmutzige Pfütze enthält. Sie geht bis ans Ende des Sprungbretts; eine Frau und ein Kind über dem Abgrund. Als sie um eine Scheune oder einen Schuppen mit hohen, gelb erleuchteten Fenstern herumwandert, dringen schabende, klappernde Geräusche heraus. Das muss Fitzgeralds Atelier sein. Sie umkreist es noch einmal, aber außer der mit Lampen übersäten Scheunendecke kann sie nichts erkennen. Sie kehrt auf ihr Zimmer zurück, legt Theo vorsichtig ins Bett und streckt sich neben ihm aus. Keine fünf Sekunden später ist sie eingeschlafen.
    Von einem lauten Scheppern wird sie geweckt. Sie fährt erschrocken hoch, aus einem Traum von Innes, von der elsewhere -Redaktion gerissen. Im Zimmer ist es dunkel und eiskalt. Theo liegt neben ihr, die Füßchen in der Luft, den Daumen im Mund, und summt vor sich hin.
    »Mama.« Er schlingt ihr den Arm mit einem Klammergriff um den Hals. »Mama schlafen.«
    »Ja, Mama hat geschlafen«, sagt sie. »Aber jetzt bin ich wieder wach.«
    Sie steht auf. Wieder scheppert es, und diesmal weiß sie, was es ist. Ein Gong. Sicher das Signal fürs Abendessen. Sie macht Licht und kramt aus ihren Sachen eine Strickjacke hervor, die sie über den Pullover zieht; sie fährt sich einmal
mit der Bürste durchs Haar, schminkt ihre Lippen nach und hebt Theo aus dem Bett. Sie gehen nach unten.
    Das Esszimmer ist leer. Auf dem Tisch stehen drei dampfende Teller Suppe. Esser gibt es keine. Lexie, die sich wie Goldlöckchen im falschen Haus vorkommt, setzt sich und fängt an zu essen. Jeden zweiten Löffel bekommt Theo, der neben ihr steht.
    »Wo sind denn wohl die anderen?«, sagt sie. Er sieht sie an, als ob er sie verstehen könnte.
    »Anderen«, wiederholt er.
    Sie trinkt ein Glas Wein. Sie muss sich beherrschen, um sich nicht über einen zweiten Teller Suppe herzumachen. Sie zerkrümelt ein Brötchen und isst die Stücke. Theo findet einen Korb mit Kiefernzapfen. Er nimmt sie heraus, einen nach dem anderen, und legt sie wieder zurück, einen nach dem anderen. Die Haushälterin bringt eine Platte mit Röstkartoffeln und kaltem Braten, die sie unwirsch auf den Tisch knallt, während sie über die leeren Plätze schimpft. Lexie bedient sich. Sie isst und blickt sich im Zimmer um, sie füttert Theo, wenn sie ihn von den Kiefernzapfen losreißen kann.
    Sie steht auf und geht zum Kamin, der riesengroß ist, wärmt sich an dem lodernden Feuer den Rücken und sieht Theo dabei zu, wie er die wackeligen Zapfen auf der Kaminumrandung aufreiht. Sie knabbert an einem Stück Brot. Leere Sofas und Sessel umringen sie, als wäre sie die Hausherrin, die eine große Gästeschar erwartet. An den Wänden

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