Die Hand die damals meine hielt - Roman
hoch. »Ich bin kein Fernsehmensch.«
»Aber Sie sind mit einem verheiratet.«
»Bin ich nicht.«
»Verheiratet, verbandelt. Wir wollen doch keine Haarspalterei betreiben.« Er schneidet Theo noch ein Scheibchen
von der Birne ab. »Aber wir hatten uns sogar schon vorher einmal gesehen.«
Lexie sieht ihn f ragend an. »Wann?«
»Es ist schon ewig her.« Er konzentriert sich auf seinen Teller, auf das Stück Birne, das er schält, das er entkleidet. »Sie waren mal bei mir zu Hause.«
»Wirklich?«
»Mit Innes Kent.«
Lexie legt den Apfel weg, richtet ihre Gabel gerade aus. Sie streicht Theo die Haare aus der Stirn, zieht sein Lätzchen zurecht.
»Meine Frau ist eine begeisterte Kunstsammlerin«, sagt Robert. »Sie hat ein paar Stücke von Innes gekauft. Wir haben uns immer auf sein Urteil verlassen - er kannte sich aus.«
Sie räuspert sich. »Ja.«
»Ich glaube, es war eine Lithographie von Barbara Hepworth. Wir haben sie immer noch. Er hatte sie auf dem Rücksitz seines Autos. Sie standen bei uns in der Diele und haben sich mit unserer Tochter über Feuerwehrautos unterhalten, während Innes die Lithographie ins Haus gebracht hat.«
Sie nimmt ihre Gabel wieder in die Hand, ein schlankes, silbernes Ding, das sich etwas kopflastig anfühlt, als ob es ihr aus der Hand kippen würde, wenn sie es nicht mit aller Gewalt festhielte. »Ich erinnere mich«, sagt sie. »Das ist …«
Er sieht sie verstohlen von der Seite an. »Das ist schon sehr lange her«, beendet er den Satz für sie.
»Ja.«
Sie essen schweigend weiter.
Am nächsten Tag ist Theo schon früh wach und Lexie zwangsläufig auch. Sie schafft es, ihn bis sieben Uhr im Zimmer zu halten. Dann badet sie; das Wasser ist überraschend kalt. Nach dem Frühstück gehen sie in den Hof. Sie muss das Interview mit Fitzgerald heute führen. Sie muss zurück nach London.
Die Haushälterin ist gern bereit, auf Theo aufzupassen, als Lexie sie darum bittet. Mit Wäschekorb und Klammern bewaffnet, gehen sie zusammen in den Obstgarten. Die Frau redet, und Theo plappert ihr nach: Klammer, Blume, Fuß, Schuh, Gras.
Die Tür des Ateliers ist zu, aber das Vorhängeschloss, das ihr am Abend aufgefallen ist, hängt unversperrt daneben an einer Kette. Lexie starrt es an. Sie legt eine Hand darum. Es hat die Größe eines menschlichen Herzens.
»Er ist bestimmt nicht drin«, sagt Robert, der plötzlich hinter ihr steht. »Nicht um diese Uhrzeit.«
Sie fährt herum. »Schleichen Sie sich immer so heimlich an?«
»Nicht immer.«
Sie seufzt, ihr Atem umhüllt sie als weiße Wolke. »Ich muss zurück nach London. Eigentlich wollte ich heute Abend die Fähre nehmen.«
Er runzelt die Stirn, scharrt mit dem Fuß im Staub. »Machen Sie die lange Reise ganz allein?«
»Nein«, antwortet sie. »Ich habe doch Theo bei mir.«
»Das meinte ich nicht«, murmelt er. »Ich finde nur, es ist … alles andere als ideal.«
»Inwiefern?«
»Eine Frau, die ganz allein mit einem kleinen Kind durch die Weltgeschichte reisen muss.«
»Es geht schon«, antwortet sie etwas gereizt. »Außerdem
habe ich keine andere Wahl.« Sie entfernt sich zwei Schritte von der Ateliertür und bleibt wieder stehen. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagt sie, wie zu sich selbst. »Ich kann nicht auf unabsehbare Zeit hierbleiben.«
Hinter ihr ertönt ein lautes Hämmern. Robert Lowe schlägt mit der geballten Faust an die Tür. Keine Sekunde später geht sie einen Spaltbreit auf.
»Fitzgerald«, sagt Lowe. »Darf ich Ihnen Lexie Sinclair vom Daily Courier vorstellen? Sie wollten sich doch von ihr interviewen lassen, nicht wahr? Sie muss heute Abend dringend nach London zurück. Könnten Sie sie vielleicht jetzt empfangen? Hier wäre sie.«
Das Interview verläuft recht erfolgreich. Fitzgerald zeigt Lexie eine Aktskulptur, an der er gerade arbeitet. Er erweist sich als entgegenkommend und auskunftsf reudig, was angeblich nicht immer der Fall sein soll. Vielleicht, weil sie ihn so früh am Tag erwischt hat. Sie fragt ihn nach seiner Kindheit, und er erzählt ihr mehrere zitierfähige Geschichten über seinen gewalttätigen Vater. Streitbar reagiert er auf Fragen nach seinen Inspirationsquellen, der Geschichte seines Hauses und seinen Ansichten über die Anglo-Iren in Irland. Schließlich legt Lexie ostentativ ihren Stenoblock beiseite, weil ein Interviewter die interessantesten, aufschlussreichsten Sachen erfahrungsgemäß immer erst dann erzählt, wenn er denkt, dass seine Äußerungen
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