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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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nicht mehr aufgezeichnet werden. Den Trick hat sie von Innes gelernt, und wenn sie ihren Stenoblock weglegt, muss sie jedes Mal an ihn denken. Wieg sie in dem Glauben, du seist ihr Freund, Lex, lautete sein Rat, dann erzählen und zeigen sie dir alles.
    Fitzgerald zeigt ihr seine Werkzeuge, die vielen verschiedenen Meißel, die Sorte Hammer, die er am liebsten benutzt. Er zeigt ihr seine unbearbeiteten Marmorblöcke. Er
erzählt ihr von seinen Ehefrauen und zählt sie an seinen Fingern ab. Er äußert sich immer derber zum Thema Liebe. Lexie reagiert mit einem kühlen Kopfnicken. Sie passt auf, dass sie immer die Werkbank zwischen sich haben. Aber während sie sich bedankt und sich zum Gehen wendet, erwischt er ihren Arm und rammt sie mit dem Rücken gegen die harte Kante des Waschbeckens. Sein Altmänneratem schlägt ihr ins Gesicht, seine arthritischen Finger umklammern ihre Taille.
    Lexie räuspert sich. »Sosehr ich mich auch geschmeichelt fühle«, beginnt sie mit der Ansprache, die sie in solchen Situationen immer hält, »aber ich fürchte …« Den Rest verschluckt sie, denn plötzlich steht Robert Lowe bei ihnen im Atelier.
    Fitzgerald dreht sich um. »Ja?«, kläfft er seinen Biographen an. »Was wollen Sie?«
    »Miss Sinclair wird am Telefon verlangt«, sagt Robert mit abgewandtem Blick.
    Lexie schlüpft zwischen dem Waschbecken und Fitzgeralds Hüftkochen hervor und schlendert mit größtmöglicher Nonchalance zur Tür.
    In der Diele des Hauses nimmt sie den Hörer ans Ohr. »Lexie Sinclair«, meldet sie sich. Sie wartet einen Augenblick, dann legt sie auf und geht in die Küche. Robert sitzt neben dem Herd in einem Sessel, ein Buch auf dem Schoß. »Da war niemand«, sagt sie.
    Er blickt nicht auf. »Ich weiß.«
    »Aber wieso? Was …?« Sie sieht ihn verwundert an. »Warum haben Sie das gemacht?«, fragt sie.
    Mit einem Räuspern antwortet er etwas, das sich wie »Ende« anhört.
    »Wie bitte?«

    »Ich hatte den Eindruck, das Interview sei zu Ende.«
    Lexie schweigt.
    »Aber es tut mir leid, wenn ich Sie unterbrochen haben sollte.«
    »Nein.« Sie blickt in den Garten hinaus. »Ganz und gar nicht. Es war … Das Interview war zu Ende. Ich hätte … Ich wollte … Jedenfalls danke ich Ihnen.«
    »Es war mir eine Freude«, sagt er leise. Sie sehen sich in die Augen, dann dreht sie sich um und geht nach oben, um ihren Koffer zu packen.

    Ein Samstag. Lexie ist in ihrem Schlafzimmer, Theo liegt nebenan und schläft, fix und fertig nach einem langen Spaziergang im Park. Sie sortiert den Spielzeugberg aus, der sich rings um ihre Kommode gebildet hat. Ein Hund an einer Schnur, eine Blechtrommel und ein Gummiball, der ihr aus der Hand fällt, ein paarmal auf dem Holzfußboden aufspringt und unter das Bett rollt.
    Sie hebt die Tagesdecke an und sieht unter das Bett. Da liegt der Ball, knapp außer Reichweite; da liegt ein Schuh, umgekippt auf der Seite; und da liegt noch etwas. Ein Haarreif. Eines von diesen starren Gebilden aus Plastik, die man sich in die Haare schiebt. Weiße Punkte auf dunkelblauem Grund. Kleine scharfe Zähnchen.
    Lexie kauert sich vor das Bett. Mit spitzen Fingern hält sie den Haarreif von sich. Ein langes, helles Haar hängt daran, wie ein klebriger Spinnenfaden. Sie zupft es ab und hält es ins Licht. Mit der anderen Hand dreht sie den Reif um. Nachdem sie ihn von allen Seiten und bis auf das letzte Zähnchen untersucht hat, legt sie ihn mitsamt dem Haar auf den Nachttisch.

    Sie steht auf. Geht ans Fenster. Verschränkt die Arme und sieht hinunter auf die Straße. Ein Mann und eine Frau steigen aus einem Auto; während sie ihren Rocksaum herunterzieht, lässt er einen Tennisball aufticken: ticken, fangen, ticken, fangen; sie wirft lachend ihr Haar nach hinten. Die Sonne scheint.
    Lexie dreht sich um. Sie geht hinunter in die Küche und schenkt sich ein Glas Wein ein. Sie nippt daran, während sie durch das Haus läuft. Sie geht von einem Bild zum anderen, als ob sie sie durchzählt: den Pollock, die Hepworth, den Klein. Es sind alle da. Sie berührt jedes einzelne, wie um sich zu beruhigen. Wieder die Treppe hinauf, einen prüfenden Blick ins Kinderzimmer, zurück ins Schlafzimmer, ohne den Haarreif eines Blickes zu würdigen. Sie ordnet die Notizen auf ihrem Schreibtisch, liest ein paar Zeilen des Artikels, an dem sie gerade arbeitet. Rückt eine Lampe gerade. Greift nach einer Haarbürste, legt sie wieder hin. Dann macht sie das Fenster auf. Sie angelt sich das graue Hemd mit dem

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