Die Hand die damals meine hielt - Roman
langen Kragen, das Felix gestern Abend ausgezogen hat, vom Stuhl, und wirft es in den warmen Nachmittag hinaus. Mit ausgebreiteten Ärmeln schwebt es durch in den Vorgarten und landet neben einem Tulpenbeet. Sie trinkt ein Schlückchen Wein. Nimmt ein Paar Socken und lässt sie aus dem Fenster fallen. Genauso ergeht es den Manschettenknöpfen von der Frisierkommode, einem Gürtel und einer geballten Handvoll Krawatten, die sich durch die Luft schlängeln und winden.
Während Felix das Taxi bezahlt, bemerkt er den kleinen Menschenauflauf auf dem Bürgersteig, die gereckten Köpfe, die gestreckten Zeigefinger. Er nimmt die Brieftasche in die
andere Hand. Auch als ihm klar wird, dass die Leute vor Lexies Haus stehen, denkt er sich weiter nichts dabei.
Dann sieht er, dass sie zu ihrem Schlafzimmer hinaufzeigen. Er läuft über die Straße, steckt hastig die Brieftasche weg. Da taucht Lexie auch schon im Fenster auf, genauer gesagt, ihr Kopf und ihre Schultern. Sie hat einen Koffer in der Hand. Den sie fallen lässt. Der laut krachend vor der Haustür landet. Keine zwei Sekunden später erscheint sie ein zweites Mal, diesmal mit einer ganzen Ladung Kleidungsstücke. Auch die verf rachtet sie in den Garten.
Felix rennt los. »Lexie!«, ruft er, als er durch das Gartentor kommt. »Was zum Teufel machst du da?«
Sie lehnt sich an den Fensterrahmen. Lässig wirft sie ein seidenes Taschentuch in die Luft, eine Krawatte, eine Unterhose - wie ein Kartengeber in der Spielbank. Felix will hinspringen, um die Sachen aufzufangen, aber er stolpert über den Koffer und rutscht auch noch auf einem Stapel Schallplatten aus.
»Nichts«, antwortet sie. »Was dachtest du denn?«
»Herrschaftzeiten, Lexie.« Felix ist außer sich. »Was um alles in der Welt soll denn das?«
»Ich helfe dir nur, deine Sachen aus meinem Haus zu schaffen.« Sie macht einen eleganten Schlenker mit dem Handgelenk, und eine Zahnbürste kommt auf ihn zugeflogen.
Felix macht einen Satz, aber er greift daneben. Zwei Gaffer aus der Gruppe sagen: »Ooooh.«
Felix richtet sich zu seiner vollen, nicht gerade unbeträchtlichen Größe auf. »Dürfte ich erfahren, worum es hier eigentlich geht?«
Lexie verschwindet kurz, taucht wieder auf und hält ein schmales, hufeisenförmiges Ding aus dem Fenster. »Darum.« Sie lässt es fallen.
Es dreht sich in der Luft, schlägt auf der Treppe auf und springt auf Felix zu. Er hebt es auf. Es ist blau und hat weiße Punkte. Ein Haarreif. Er kann ihn nicht gleich einordnen, aber eines weiß er mit Sicherheit - Lexie gehört er nicht. Ihn überfällt eine böse Vorahnung. »Mein Liebling«, sagt er, »ich habe keine Ahnung, wo das herkommt. Ich glaube nicht, dass ich es schon einmal gesehen habe und …«
»Es lag unter dem Bett.«
»Es wäre doch vielleicht nicht ganz ausgeschlossen, dass es der Putzfrau gehört. Ich meine … Hör mal«, sagt er. »Das ist doch keine Art, darüber zu reden. Ich komme rein.«
»Kommst du nicht.« Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich habe die Tür verriegelt. Du setzt nie wieder einen Fuß in dieses Haus, Felix. Nie mehr!«
»Lexie, ich sage es dir noch einmal. Ich weiß nicht, wo das Teil herkommt. Es hat nichts mit mir zu tun, das musst du mir glauben.«
»Ich kann dir verraten, wo es herkommt.« Lexie beugt sich drohend aus dem Fenster. »Von Margot Kents Kopf.«
»Das kann ich mir nicht …« Er bricht ab. Nach einer verheerenden Pause fährt er fort: »Ich weiß doch noch nicht mal …«
Lexie verschränkt die Arme und sieht auf ihn hinunter. »Ich hab dich gewarnt«, sagt sie leise. »Ich habe dich gewarnt. Ich hab dir gesagt, du sollst die Finger von ihr lassen. Und du besitzt die Unverf rorenheit …?« Ihre Stimme schwillt zum Schreien an. »Du erdreistest dich, es hier in meinem Haus mit ihr zu treiben? In meinem Bett? Du bist ein Schwein, Felix Roffe. Wie konntest du es wagen?«
Er hat keine Ahnung, wovon sie redet. Er kann sich an das Mädchen noch nicht mal erinnern. Es sei denn, es wäre
diese bleiche Halbzarte, die sich ihm damals an den Hals geschmissen hat und die ihm seitdem dauernd hinterhertelefoniert. Ob sie die meint? Felix wird es flau ums Herz. Als Lexie in Irland war, hat er sie tatsächlich einmal mit hierhergenommen, weil er den Klempner in der Wohnung hatte. Normalerweise hätte er das nie getan. Und überhaupt sieht es Lexie gar nicht ähnlich, sich von so einer kleinen Gans bedroht zu fühlen.
»Liebling.« Er probiert es auf die
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