Die Hand die damals meine hielt - Roman
Das Zimmer hatte verschossene blaue Samtvorhänge, eine Topfpflanze, ein Waschbecken mit einem angeschlagenen Spiegel. Der Stromzähler schluckte ihre Shilling-Münzen nicht. Die Kopfkissen waren hart, die spitzen Federkiele stachen aus den Baumwollbezügen. Sie waren beide nervös. Von dem Wunsch getrieben, den Neubeginn tatsächlich gewagt zu haben, brachten sie den Liebesakt schnell hinter sich. Dann unterhielten sie sich. Ein zweiter Versuch, den Stromzähler zu füttern, blieb ebenfalls erfolglos. Sie liebten sich noch einmal, diesmal mit mehr Muße und mehr Geschick. Während Lexie sich anzog, beobachtete sie, wie sich auf der anderen Seite des schmalen Fensters die Wolken türmten.
Das Arrangement, auf das sie sich verständigten, war simpel und unkompliziert, perfekt, könnte man sagen. Sie würden sich zweimal im Jahr treffen, nicht öfter, und niemals in London. Sie verabredeten sich per Telegramm. GRAND HOTEL, SCARBOROUGH, lautete beispielsweise die Botschaft, DONNERSTAG, 9. MÄRZ. Mehr nicht. Niemand durfte je etwas davon erfahren. Sie sprachen nie über Roberts Familie, seine Frau Marie. Lexie klärte ihn nie darüber auf, was aus ihr und Felix geworden war. Robert f ragte nicht, warum sie Theo zu ihren Rendezvous mitbrachte. Vielleicht erriet er den Grund, vielleicht auch nicht.
Es war schwer zu sagen, ob Theo sich von einem zum anderen Mal an Robert erinnerte. Er f reute sich immer, ihn zu sehen, nahm zutraulich seine Hand und schleppte ihn weg, um ihm irgendetwas zu zeigen - einen Krebs in einem Eimer, eine Muschelschale vom Strand, einen Stein mit einem Loch.
Mrs. Gallo und Lexie trugen in der Küche einen freundschaftlichen Streit darüber aus, ob Mrs. Gallo für Lexie eine Hühnerpastete backen sollte oder nicht. Die Italienerin hatte gerade den Backofen requiriert, als es an der Tür klingelte.
»Ich mach schon auf«, sagte Lexie. Sie schaute noch schnell ins Wohnzimmer, wo Theo damit beschäftigt war, einen hohen, weichen Kissenberg zu bauen, und legte ihm im Vorbeigehen kurz die Hand auf den Kopf.
»Liebling«, sagte Felix, der sich, als die Tür aufging, sofort auf sie stürzte und sie eine Spur zu lange umarmte. »Wie geht es dir?«
»Gut.« Lexie machte sich von ihm los. »Ich wusste ja gar nicht, dass du kommen wolltest. Warum hast du nicht angerufen?«
»Jetzt hab dich nicht so. Darf ich denn meinen Stammhalter nicht mal spontan besuchen?«
»Doch, natürlich. Aber du könntest trotzdem vorher anrufen.« Sie funkelten sich böse an.
»Warum?«, f ragte er. »Du hast doch wohl nicht etwa Herrenbesuch?«
Sie seufzte. »Aber klar. Paul Newman ist da. Und Robert Redford auch. Möchtest du sie kennenlernen? Dann komm rein.«
»Wollt ihr verreisen?«, f ragte er. Er zeigte auf die Taschen, die in der Diele standen. Lexie und Theo waren in Eastbourne gewesen, wo sie sich mit Robert getroffen hatten.
»Wir sind schon wieder zurück«, sagte sie, während sie ins Wohnzimmer vorausging, wo Mrs. Gallo auf Theo aufpasste, der vom Sofa in den Kissenberg sprang.
Felix blieb zögernd an der Teppichkante stehen, wie jemand, der sich nicht traut, ins tiefe Becken zu springen. »Hallo, junger Mann«, dröhnte er auf Theo hinunter. Die Italienerin begrüßte er mit einem Kopfnicken. »Wie geht es Ihnen, Gnädigste? Sie sehen fantastisch aus.«
Mrs. Gallo, die keine hohe Meinung von Felix hatte, weil in ihren Augen ein Mann, der etwas taugte, Lexie schon vor Jahren geehelicht hätte, gab einen Laut von sich, der halb nach vorwurfsvollem Zungeschnalzen, halb nach verlegenem Hüsteln klang.
Theo sah zu seinem Vater hoch und sagte klar und deutlich: »Robert.«
Lexie musste sich ein Lachen verbeißen. »Nicht Robert, Theo. Das ist Felix. Felix. Weißt du nicht mehr?«
»Wer ist Robert?«, f ragte Felix, während Lexie schon die Küche ansteuerte.
Sie ging nicht darauf ein. »Möchtest du Tee, Felix? Oder Kaffee?«
Er kam hinter ihr her, genau, wie sie es erwartet hatte. Während sie drei große Tassen und die Milch auf den Tisch stellte, musterte sie Felix verstohlen. Er las die Zettel, die am Kühlschrank hingen; er nahm Theos Trinkbecher in die Hand, sah ihn sich an, stellte ihn wieder hin; er nahm einen Apfel aus der Obstschale und legte ihn wieder zurück.
»Was macht die Arbeit?«, fragte er unvermittelt.
Lexie hielt den Kessel unter den Wasserhahn. »Gut. Zu viel zu tun, zu wenig Zeit. Das Übliche.«
»Ich hab deinen Artikel über Louise Bourgeois gelesen.«
»Ach ja?«
»Er war
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