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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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runzelt die Stirn. »Aber …«
    »Unser Sohn …« Er deutet mit dem Kopf auf Theo, der methodisch ein Schokoladenplätzchen nach dem anderen von seinem Kuchen pickt. »… ist mein einziger Nachkomme.« Felix stellt seufzend sein Glas ab und fährt sich mit der Hand durchs Haar. »Sie hat …« Er macht eine fahrige Geste und fährt leise fort: »… immer nur Abgänge. Einen nach dem anderen. Irgendwie schafft sie es nicht, sie auszutragen.«
    »Das tut mir sehr leid«, beginnt sie, »ich hätte dich nicht fragen dürfen. Ich weiß nicht …«
    »Nein, nein«, sagt er mit einer abwehrenden Handbewegung. »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen und mich auch nicht zu bemitleiden.« Er atmet tief durch. »Das klingt jetzt sicher sehr hart, aber es ist vielleicht sogar besser so.«
    »Felix …«
    Er erstickt ihren Widerspruch im Keim. »Weil ich mich nämlich in Bälde aus dem Staub machen werde. Ich habe schon mit einem Anwalt gesprochen. Das muss natürlich unter uns bleiben.«
    »Natürlich.«
    »Dadurch, dass wir keine Kinder haben, ist es einfacher.«
    »Verstehe.«

    »Wir zwei dagegen …« Er lässt seine Hand langsam über den Kaminsims auf sie zuwandern. »Wir haben es doch ziemlich gut gedeichselt, findest du nicht?«
    »Was haben wir gedeichselt?«
    »Das mit dem Kinderkriegen.«
    Bildet sie sich das nur ein, oder ist es Zufall, dass seine andere Hand so nah vor ihrer Taille schwebt, dass sie die Wärme durch den Stoff ihres Kleides spüren kann? »Findest du?«
    Er lächelt sie an. »Hast du eine Beziehung, Lex?«, murmelt er mit einem vertraulichen Unterton.
    Sie räuspert sich. »Das geht dich überhaupt nichts an.«
    »Wollen wir nicht mal mittags zusammen essen gehen?«
    »Lieber nicht.«
    »Nächste Woche?«
    »Ich kann nicht. Ich muss arbeiten. Und mich um Theo kümmern.«
    »Dann eben abends. Nächste Woche. Oder nächstes Wochenende?«
    Am nächsten Wochenende ist sie mit Robert in Lyme Regis, das erste Rendezvous seit acht Monaten. Heute hat sie das Telegramm bekommen. Was Felix wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass sie sich heimlich mit Robert Lowe trifft? Sie muss sich ein Schmunzeln verkneifen. »Nein«, sagt sie.
    »Wir könnten uns über unseren Sohn unterhalten.« Er legt ihr die Hand auf den Arm.
    »Was möchtest du denn wissen?«
    »Alles. Auf welche Schule wir ihn schicken wollen. Solche Sachen.«
    Lexie lacht einmal kurz auf. »Du möchtest über Theos Schule reden? Seit wann das denn?«

    »Seit jetzt.«
    »Du bist unglaublich.« Sie schüttelt seine Hand ab.
    »Dann sehen wir uns also? Nächste Woche zum Abendessen?«
    Sie entschlüpft ihm. »Ich geb dir Bescheid«, sagt sie, nach hinten gewandt. Und dann ist sie bei ihrem Sohn, und er klammert sich an ihr Kleid, und sie hebt ihn schwungvoll hoch und setzt ihn sich auf die Hüfte.

S ie haben sich diesen Tag anders vorgestellt. Als sie in London losgefahren sind, hat sich der Himmel wie eine blaue Stoffbahn über die in der Sonne funkelnde Stadt gebreitet. Sie konnten mit heruntergeklapptem Verdeck und offenen Fenstern durch die Straßen sausen. Aber je weiter sie nach Westen kamen, desto mehr umwölkte sich der Himmel, desto stärker wurde der Wagen vom Wind durchgerüttelt. Inzwischen regnet es, nadelspitze Tropfen, die sich an der Scheibe zu Streifen auseinanderziehen.
    Sie wollen das Wochenende im Haus von Simmys Eltern verbringen, die verreist sind. Wie meinte er scherzhaft? Sturmfreie Hütte. Elina war noch nie auf einem - wie hat Ted es gestern Abend genannt? - auf einem Landsitz . Gibt es da Diener?, wollte sie wissen. Er schüttelte den Kopf. So nobel ist es auch wieder nicht.
    Jonah schläft in seinem Kindersitz, beide Fäustchen von sich gestreckt, als ob er im Traum mit einer Stange in der Hand auf einem Hochseil balanciert. Ted und Simmy sitzen vorn. Sie hören sich eine improvisierte Comedy-Sendung im Radio an und brechen immer wieder in schallendes Gelächter aus. Elina kann den Witzen nicht folgen. Sie sind zu schnell für sie, die Wortspiele zu kompliziert.
    Bei Elina kündigen sich Kopfschmerzen an, sie spürt es an dem leisen Ziehen und leichten Spannen in den Kiefergelenken
und Halsmuskeln. Aber es ist nichts Ernstes. Sie ist f roh, aus London heraus zu sein, f reut sich über die vorbeihuschenden Bäume und Felder. Sie denkt an die Fahrt nach Nauvo, zum Haus ihrer Mutter, an die Schärenstraße, die sich von einer Insel zur anderen spannt, an die Brücken und an die gelbe Fähre, an die flachen grünen

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