Die Hand die damals meine hielt - Roman
Nachricht gibt. Eine gute Nachricht! Simmy springt auf; er lacht. Dann war es also doch kein Herzinfarkt! Jetzt laufen alle im Korridor auf und ab, alle reden durcheinander. Es fällt das Wort »Ehkahgeh«, und Elina hat keine Ahnung, was es bedeutet, aber Simmy nickt, und er lacht immer noch, und dann die Worte »klar« und »negativer Befund«. Als sie ein Zimmer betreten, sagt der Arzt noch »eine Panikattacke«, aber Elina hört ihm schon nicht mehr zu, denn auf dem Bett sitzt Ted, und er ist angezogen, und er sieht aus wie immer.
Elina läuft zu ihm und legt ihm die Hand auf den Arm, und als sie sich zu ihm beugt, um ihn auf die Wange zu küssen, reißt Jonah an ihren Haaren, so dass sie genau in dem Moment, als ihre Lippen ihn berühren, »Au!« ruft.
Ted macht ein erschrockenes Gesicht. »Was ist los?«, ruft er und weicht vor ihr zurück.
»Nichts. Entschuldige.«
»Warum hast du das gesagt?«
»Jonah hat mich an den Haaren gezogen. Es ist nichts weiter. Wie geht es dir?«
Ted starrt sie immer noch an. Sein Gesicht ist weiß, seine Pupillen groß und schwarz. Nun starrt er Jonah an. Dann
wieder Elina. Sie wirft Simmy einen Blick zu. Der mustert Ted forschend.
»Ähem«, macht sie. »Geht es dir wieder gut? Ted?«
Ted sieht wieder seinen Sohn an. Dann legt er sich nach hinten in die Kissen und starrt an die Decke. Er schlägt die Hände vors Gesicht. »Geht es mir wieder gut?«, wiederholt er sehr langsam hinter seinen schützenden Fingern. »Geht es mir wieder gut?«
Simmy räuspert sich. »Der Arzt sagt, du kannst nach Hause, aber wenn du lieber noch …«
»Ich weiß es nicht«, sagt Ted ausdruckslos. »Das ist meine Antwort.«
Simmy und Elina sehen sich über Ted hinweg an. Jonah prustet Elina gegen den Hals, luscht an ihrem Schlüsselbein, greift in ihr Kleid, um daran zu nuckeln, biegt sich in ihren Armen nach hinten, um die Zimmerdecke zu inspizieren, tritt ihr in den Unterleib.
»Ich muss mal kurz verschwinden«, sagt Simmy. »Bin gleich wieder da.«
Und dann sind sie allein, Elina, ihr Mann und ihr Kind. Sie kann es kaum fassen, dass sie Ted zurückbekommen hat, nachdem sie ihn hat stürzen sehen, nachdem er wie ein Haufen Lumpen dagelegen hat, schlaff und mit diesen schrecklichen Zuckungen. Es will ihr fast wie ein Wunder erscheinen, dass sie es durchgestanden haben und jetzt hier, in einem Krankenhauszimmer mit gestreifter Bettwäsche, wieder zusammen sind. Elina starrt auf die Streifen, die ihr, wie alles andere in dieser Sekunde, wie Zauberei vorkommen. Wie sie sich abwechseln, weiß, blau, weiß, blau, wie sich Kette und Schuss zum Baumwollstoff verbinden. Zu einem Laken. Damit Ted darauf liegen kann.
Elina setzt sich zu ihm aufs Bett, schmiegt sich mit ihrer
Hüfte an seine. »Du hast mir einen solchen Schrecken eingejagt«, murmelt sie. Jonah zappelt wie ein Fisch in ihren Armen. »Der Arzt hat gesagt, du musst sofort zu deinem Hausarzt gehen, wenn wir wieder in London sind …«
»Die Sache ist die.« Ted starrt noch immer an die Decke. »Es passt nichts zusammen. Ich weiß bloß eins, dass mich alle angelogen haben. In Bezug auf alles. Das sehe ich jetzt. Und ich weiß nicht, wohin ich mich wenden soll, wen ich f ragen kann, weil alles eine einzige Täuschung ist, und ich niemandem vertrauen kann. Verstehst du?« Er sieht sie an oder an ihr vorbei oder durch sie hindurch. »Verstehst du das?«
Jonah strampelt, er stampft mit seinen Füßchen auf ihre Beine. Elinas Arme zittern, ihr ganzer Körper bebt. Sie hat keine Ahnung, was sie sagen, was sie tun soll. Vielleicht wäre es das Beste, einen Arzt zu rufen, aber was dann? Was soll das Ganze überhaupt?
»Ted«, bringt sie hervor. Ihre Stimme ist brüchig, als ob ihr gleich die Tränen kommen. »Wovon redest …«
»Also dann.« Simmy ist wieder da, er reibt sich die Hände. »Der Arzt sagt, wir dürfen gehen. Wollen wir dann?«
»Sim«, sagt Elina, doch da springt Ted auch schon vom Bett.
»Los.« Er packt Elina beim Ellenbogen und zieht sie mit sich. »Komm.«
»Ich fände es besser, wenn wir noch abwarten würden, ob …«
»Wir müssen los«, sagt Ted und drängt sich an Simmy vorbei durch die Tür. »Wir müssen zurück nach London.«
D as ist das Ende der Geschichte.
Zu dem, was Lexie heute ist, wurde sie Ende August, vor der Küste von Dorset, beim Schwimmen. Theo und sie sind mit Robert in Lyme Regis. Sie haben Fisch mit Pommes gegessen, haben über das Hotel geredet, in dem sie bei ihrem letzten Rendezvous
Weitere Kostenlose Bücher