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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Lagoon Café Bar. Die Baristas sind nach Hause gegangen, nachdem sie den Boden gefegt, die Tische abgewischt, den Müll in Tüten verpackt und die Tür hinter sich abgeschlossen haben.
    In dem dunklen, geschlossenen Café kühlt langsam die ausgestöpselte Cappuccino-Maschine aus. Alle paar Minuten gibt das Chromgehäuse ein lautes Klicken von sich. Von den Tassen und Gläsern, die umgedreht auf der Abtropffläche stehen, läuft lauwarmes Wasser, das sich in kreisförmigen Pfützen um sie sammelt.
    Sehr gründlich ist der Boden nicht gefegt worden. Unter Tisch vier liegt eine Focaccia-Kruste, die einem Touristen aus Maine heruntergefallen ist; im Eingang finden sich Blattschnipsel von den Platanen draußen auf dem Soho Square.
    Einige Etagen höher im Haus fällt knallend eine Tür ins Schloss, gedämpfte Stimmen sind zu hören und Schritte, die schnell die Treppe herunterkommen. Das Café scheint aufmerksam zu lauschen. Die abgetrockneten Gläser in den Regalen stoßen im Rhythmus des Treppengepolters klirrend aneinander. Das sich zusammenziehende Metall der Cappuccino-Maschine klickt. Ein Wassertropfen löst sich vom Hahn, zerspringt auf dem Boden der Spüle und läuft zum Abfluss. Auf der anderen Seite der Wand hallen die Schritte
durch den Hausflur, die Tür geht auf und die junge Frau von oben tritt heraus, auf der Suche nach Kundschaft.
    Sie stöckelt in ihren roten Stiefeletten vor dem Blue Lagoon auf und ab. Über die Gehwegplatte, auf der Innes Lexie 1957 zum ersten Mal umarmt hat, an dem Bordstein entlang, an dem Lexie versucht hat, ein Taxi anzuhalten, um ins Krankenhaus zu fahren. Sie lehnt sich kurz an die Stelle der Wand, wo Lexie und Innes an einem bewölkten Mittwoch im Jahr 1959 für John Deakin posiert haben. Und genau da, wo die junge Frau von oben ihre Zigarette ausdrückt, kommt bei feuchtem Wetter der geisterhafte Umriss des Wortes »e l s e w h e r e« durch, was wahrscheinlich nie einem Menschen auffällt, und wenn doch, so weiß er nicht, was es bedeutet.
    Die Frau schnippt ihre Kippe in die Gosse, reißt die Tür auf und verschwindet wieder im Haus. Ihre Schritte lassen die Gläser in den Regalen erbeben, die Salzstreuer auf den Tischen und sogar den Stuhl am Fenster, dessen eines Bein kürzer ist als die anderen.
    Danach wird es still im Café; die Cappuccino-Maschine ist abgekühlt, die Tassen stehen in runden Pfützen, die Focaccia-Kruste ruht auf dem Fußboden. Auf einem Tisch liegt eine aufgeschlagene Illustrierte, darin die Überschrift Wie werde ich ein anderer Mensch ? Ein Sack Kaffeebohnen sinkt erschöpft gegen die Theke. Ein Fahrrad huscht am Fenster vorbei, wirft einen taumelnden Lichtkegel über die dunkle Straße. Der grubenschwarze Himmel ist orange lasiert. Als ob der Kühlschrank die Nachtstille nicht stören will, erzittert er noch ein letztes Mal und verstummt.
    Draußen schubst eine leise Brise eine Getränkedose aus einem vollen Abfalleimer auf den Bürgersteig, von wo sie in die Gosse rollt. Ein Polizeiwagen schnurrt durch die Bayton
Street, das Funkgerät knistert und faucht. Zwei männliche Verdächtige … in südlicher Richtung … krächzt es abgehackt … Ruhestörung in Marble Arch .
    Die Erde dreht sich weiter. Der Himmel ist nicht mehr grubenschwarz, sondern meeresgrundblau. Das Blau verläuft sich allmählich zu einem milchigen Grau, als ob die Straße und ganz Soho langsam an die Oberfläche steigen. Die junge Frau von oben tauscht ihre roten Stiefeletten gegen Turnschuhe, schließt die Tür hinter sich ab, knöpft ihre Jacke zu. Sie sieht nach links und nach rechts und geht in Richtung Tottenham Court Road davon.
    Um sechs Uhr morgens kommt ein älterer Mann im Anzug mit holprigem, hinkendem Gang die Straße herunter, mitten auf der Fahrbahn. Er hat einen kleinen Hund an einer violetten Lederleine bei sich. Vor dem Blue Lagoon bleibt er stehen. Der Hund blickt verwundert zu ihm hoch, zieht an der Leine und will weiter. Aber der Mann sieht immer noch in das Café. Vielleicht kehrt er tagsüber hier ein. Vielleicht ist er auch einer der wenigen, die noch wissen, dass hier früher die elsewhere -Redaktion war; vielleicht hat er sogar mit Innes in einer der benachbarten Kneipen gezecht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht erinnert es ihn nur an ein anderes Café. Er geht weiter und ist Sekunden später mit seinem Hund hinter der nächsten Straßenecke verschwunden.
    Um acht Uhr trudelt die Barista-Frühschicht ein: zuerst eine Frau, die aufschließt, Licht

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