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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Marmeladenbrot vorsetzte, sondern eine Tarte Tatin im Miniaturformat, ganz für ihn allein. Er weiß noch genau, wie sie das Törtchen aus der Form auf einen Teller stürzte, mit dem Boden nach oben, wie krümelig, süß und warm der Teig war, und dazu die karamellisierte Birne, von der zuckergeschwängerter Dampf aufstieg. Er hat sich so über die Überraschung gef reut, dass ihm die Tränen gekommen sind, worauf die Französin ihn an ihren Angorabusen gedrückt hat. Aber sie hielt es nicht lange bei ihnen aus und wurde von einer Holländerin abgelöst, die ihm, wenn er sich recht entsinnt, Roggenknäckebrot zu essen gab.
    Wenn Elina von ihrer Kindheit erzählt, vom Zelten im Wald, von Bootsfahrten zu unbewohnten Inseln, von weihnachtlichen Schlittschuhtouren zwischen den Schären, von Kletterpartien aufs Dach, um das Nordlicht zu sehen, kann er nur staunen. Mehr, würde er sie am liebsten bitten, erzähl mir mehr davon, aber er tut es nicht, weil er sich nicht revanchieren kann. Was hätte er schon als Gegenleistung anzubieten im Tausch für eine Geschichte, in der sie und ihr Bruder mit zehn und acht Jahren von zu Hause ausgerissen
waren und zwei Tage in einer selbstgebauten Bude im Wald gehaust hatten, bis ihre Mutter sie wieder zurückholte? Dass er mit seinem Aupair bei John Lewis neue Schuhe gekauft hat? Was könnte er ihrem Lagerfeuer entgegensetzen, das so hoch war wie der Gartenschuppen - und den Schuppen niederbrannte? Oder ihrer rasenden Fahrt mit dem Schlitten, bei der sie einen steilen Berg hinuntergesaust und erst auf einem zugef rorenen See wieder zum Stehen gekommen war, wo sie so lange sitzen blieb, bis sie steif vor Kälte war, weil sie es so faszinierend fand, wie das Eis die Geräusche verzerrte, dass sie sich einfach nicht losreißen konnte? Dass sein Vater mit ihm in den Zoo gegangen ist, dass er dauernd auf die Uhr gesehen und ihn gefragt hat, ob er nicht etwas essen wolle? Oder dass er sich, wenn er an seine Kindheit denkt, am besten an das Gefühl erinnert, das Leben spiele sich anderswo ab, ohne ihn? Sein Vater auf Dienstreise. Seine Mutter, Briefe schreibend am Rollsekretär - »Jetzt nicht, Schatz, Mami hat zu tun.« Die Aupairs, die zu ihren Englischkursen entschwanden, die Frau, die ins Haus kam, um die Treppenläuferstangen aus Messing zu polieren, und die so spannend von ihren »Unterleibsgeschichten« zu erzählen wusste.
    Ted sieht auf Elina hinunter. Er stopft die Decke um sie fest. Er sieht hinüber zu dem Korb mit dem schlafenden Bündel, seinem Sohn. Sein Sohn. Er muss sich an die Wörter erst noch gewöhnen. Ted wünscht sich Schlittenfahrten für seinen Jungen und Buden im Wald und Jahrmärkte und Lagerfeuer, die außer Kontrolle geraten. Er wird mit ihm in den Zoo gehen und nicht ein einziges Mal auf die Uhr sehen. Er wird lernen, wie man eine Tarte Tatin backt, und ihm jede Woche eine backen oder auch jeden Tag, wenn er es möchte. Dieses Kind wird nicht zum Mittagsschlaf auf sein
Zimmer verbannt. Es wird nicht mit irgendwelchen Teenagern, die sich kaum verständlich machen können, losgeschickt, um Schuhe für die Schule zu kaufen oder sich ägyptische Mumien in Glasvitrinen anzusehen. Es wird nicht ganze Nachmittage allein in einem frostigen Garten verbringen. Sein Zimmer wird Zentralheizung haben. Es wird nicht jeden Monat zum Friseur geschleppt. Es darf - und soll sogar - im Sandkasten auf dem Spielplatz die Schuhe ausziehen. Es soll den Weihnachtsbaum selbst schmücken dürfen und die Kugeln aussuchen, die ihm am besten gefallen, ganz egal welche Farbe sie haben.
    Ted klopft mit den Fingern auf die Armlehne des Sofas. Er möchte aufstehen. Möchte diese Ideen aufschreiben. Möchte sich über seinen schlafenden Sohn beugen und sie ihm laut vorsprechen, wie ein Gelöbnis. Aber er darf Elina nicht stören. Er greift zur Fernbedienung und zappt durch die Kanäle, bis er ein Fußballspiel findet, das ihm völlig entfallen war.

    In ihrem Traum - während eines dieser merkwürdigen, halbwachen Zustände, in denen man träumt und zugleich weiß, dass man träumt - muss Elina einen Kopfkissenbezug halten. Er ist vollgestopft mit Sachen, die leicht zerbrechen. Einem Wecker, einem Glas, einem Aschenbecher, einer Schneelandschaft mit einem Wald, einem Mädchen und einem Wolf. Elina steht auf einem kalten Steinfußboden, und der Kissenbezug ist viel zu voll. Sie bekommt ihn nicht richtig zu fassen, deshalb muss sie aufpassen, dass er ihr nicht aus der Hand rutscht, mit all den

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