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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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schon gemunkelt, dass man Sie womöglich entführt hätte, aber ich habe dagegengehalten, dass eine Frau von Ihrem Kaliber jeden potenziellen Entführer in die Flucht schlagen würde.«
    Sie sehen sich an. Innes kneift die Augen zusammen und zieht an seiner Zigarette.
    Hannah ergreift das Wort. »Mr. Kent hat uns erzählt, dass er dich von der Uni kennt.«
    Lexie zieht eine Augenbraue hoch. »Ach ja?«
    »Ganz richtig«, wirft Innes ein. »Und dann haben mich diese lieben Menschen aus Mitleid hereingebeten. Irgendjemand hat ein Fläschchen Brandy beigesteuert, und Ihre gütige Frau Wirtin hat mich mit Fleischbällchen bewirtet. Das wäre auch schon das Ende vom Lied.«
    Lexie weiß nicht, was sie sagen soll, außer: »Und wie waren die Fleischbällchen?«
    »Unvergleichlich.« Er steht auf, reckt sich und drückt die Zigarette in einem Aschenbecher aus, der eine Stufe unter ihm steht. »Ich muss mich dann leider verabschieden. Sie brauchen sicher alle Ihren Schönheitsschlaf. Meine Damen,
es war mir ein Vergnügen. Ich freue mich schon auf das nächste Mal. Mrs. Collins, Ihnen gebührt der Preis für die peinlichste Geschichte. Würden Sie mich wohl noch zur Tür begleiten, Lexie?« Er bietet ihr seinen Arm an.
    Sie zögert. Alles ringsum ruft: »Müssen Sie wirklich schon gehen?«, »Was für einen Preis bekommt denn Mrs. Collins?«, »Und was hat sie noch mal erzählt?« Lexie hakt sich bei ihm ein, und sie gehen zusammen die Treppe hinunter. Nachdem ihnen die Frauenmeute bis zur untersten Stufe gefolgt ist, bleibt sie taktvoll, aber widerwillig zurück.
    Lexie glaubt, dass er sich an der Haustür verabschieden will, doch er zieht sie hinter sich her nach draußen und sagt mit gedämpfter Stimme: »In Wahrheit waren die Klopse unvergleichlich furchtbar. Zwischen den Zähnen wie Sägemehl, auf der Zunge wie Schuhleder. Verlangen Sie nie wieder von mir, dass ich Fleischbällchen esse.«
    »Bestimmt nicht.« Sie stutzt. »Als ob ich es je von Ihnen verlangt hätte.«
    Er geht nicht darauf ein. »Warum hat man Fleischbällchen überhaupt erfunden? Wozu sind sie nütze? Dafür müssen Sie mir Wiedergutmachung leisten.«
    Lexie zieht ihre Hand unter seinem Arm weg. »Was meinen Sie damit? Und was machen Sie eigentlich hier? Wie haben Sie mich gefunden?«
    Er sieht ihr tief in die Augen. »Wissen Sie, wie viele Pensionen für ledige Frauen es in Kentish Town gibt?«
    »Nein, woher sollte ich …«
    »Zwei«, sagt er. »Es war also keine besondere Meisterleistung. Ein simples Ausschlussverfahren, das den Zufall ins Kalkül einbezieht. Dass Sie bald nach London kommen würden, konnte ich mir denken. Sehr viel länger hätten Sie es zu Hause nicht ausgehalten. Nur den genauen Zeitpunkt
wusste ich nicht. Das alles tut natürlich überhaupt nichts zur Sache. Denn die Sache ist doch die: Wann gehen Sie mit mir lunchen?«
    »Ich weiß nicht.« Lexie reckt das Kinn. »Ich habe viel zu tun.«
    Innes lächelt und schiebt sich eine Idee näher an sie heran. »Wie wäre es mit Samstag?«
    Lexie tut so, als müsste sie ihre Manschette geradezupfen. »Ich weiß nicht«, wiederholt sie. »Ich glaube, samstags muss ich arbeiten.«
    »Ich auch. Um ein Uhr, was meinen Sie? Sie haben doch eine Mittagspause, oder nicht? Wo arbeiten Sie? Können Sie jetzt sechzig Wörter in der Minute tippen?«
    Sie starrt ihn erstaunt an. »Sagen Sie bloß, daran erinnern Sie sich noch?« Sie fängt an zu lachen. »Und daran, dass ich nach Kentish Town in eine Ledigenpension ziehen wollte?«
    Er zuckt mit den Schultern. »Ich vergesse nie etwas. Was entweder eine Art Behinderung ist oder eine geniale Begabung. In meinem Fall weiß ich das nicht so genau. Was ich einmal gehört habe, bleibt jedenfalls hier drin.« Er tippt sich an den Kopf. »Für immer.«
    Unwillkürlich stellt sie sich vor, wie es unter seiner Schädeldecke von Informationen nur so wimmelt. »Ich weiß nicht, wann ich wegkann. Es ist schließlich meine erste Woche …«
    »Schon gut, schon gut. Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Kommen Sie doch einfach zu mir. Ich bin in meiner Redaktion in Soho. Den ganzen Tag und wahrscheinlich auch die ganze Nacht. Wann immer es Ihnen passt. Wenn Sie Feierabend haben. Haben Sie meine Visitenkarte noch?«
    Lexie nickt.

    »Gut. Die Adresse steht drauf. Dann sehen wir uns am Samstag?«
    »Ja.«
    Er lächelt und zögert kurz. Lexie fragt sich, ob er sie wohl küssen wird. Aber er küsst sie nicht. Ohne eine Abschiedsgeste geht er die Treppe hinunter und über

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