Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
Vom Netzwerk:
auf dem elsewhere -Sofa schafften sie es diesmal sogar noch, anschließend essen zu gehen. Lexie kündigte und fing bei elsewhere an. Ihr Zimmer behielt sie.
    In der Redaktion war sie in der ersten Zeit nur für den Telefondienst zuständig und für Botengänge: zur Druckerei, zu Buchhandlungen, Galerien und Theatern. Unterwegs wälzte sie in ihrem Kopf die vielen neuen Dinge, die sie aufschnappte, die die anderen zueinander sagten, die sie erst noch lernen musste.
    »Der beschissenste Anreißer aller Zeiten.« - Daphne empört zu Laurence.
    »Wo sind die Fahnen?« - Innes, vom Schreibtisch aufstehend.
    »Die Dachzeile fehlt.« - Laurence, während er auf den sogenannten »Umbruch« zeigte.
    Hurenkind, Schusterjunge, Fliegenkopf, Zwiebelfisch: All diese Wörter hatten bei elsewhere eine ganz eigene, schwer
fassbare Bedeutung, die sie sich erst erschließen musste. Sie baute ihren Wortschatz beständig aus, und nachdem sie die anderen einige Wochen lang mehr schlecht als recht - und ungern - mit Tee bekocht hatte, durfte sie die handgeschriebenen Artikel in die Maschine schreiben. Leider war Tippen nie ihre große Stärke. Innes platzte häufiger der Kragen. »Was ist Drukturalismus, Lex?«, brüllte er ihr quer durch die Redaktion zu. »Schon mal einer was von Drukturalismus gehört? Oder ›Bahrnehmung‹? Was zum Teufel soll denn ein ›Bahrnehmungshorizont‹ sein?«
    Laurence entwickelte sich zum Experten für die Entschlüsselung ihrer Fehler. »Wahrnehmung, Innes«, antwortete er, ohne von seiner Arbeit hochzusehen. »Sie meint ›Wahrnehmungshorizont‹.« Zum Dank dafür brachte sie ihm unaufgefordert und gern eine Tasse Tee.
    Und die ganze Zeit kochte Innes vor Wut, weil Lexie immer noch nicht bei ihm eingezogen war. Doch sie wollte sich auf gar keinen Fall von ihm unterbuttern lassen. Er sei ihr Boss, ob ihm das nicht genüge? Warum müsse er unbedingt auch noch ihr Vermieter werden? Liebhaber ja, antwortete er, aber Vermieter? Niemals. Innes und Lexie waren wie Flipperkugeln, die dauernd aufs Heftigste miteinander kollidierten. Über die Frage, wo und warum sie wo wohnte, konnten sie immer streiten - auf dem Sofa in der Bayton Street oder in einem Jazzclub, in einem Restaurant, in Innes’ Wohnung oder auf einer Vernissage, in einer Kaschemme mit dem Namen Jimmy’s in der Frith Street oder während einer Dichterlesung in einem rauchverhangenen Kellergewölbe, wo die bärtigen, Bierglas schwenkenden Poeten von mageren, mittelgescheitelten Mädchen in schwarzen Rollkragenpullovern umschwärmt wurden. Auf dem Bürgersteig vor dem Coach and Horses erspähten sie eines Abends Lexies
ehemaligen Kollegen, Arm in Arm mit einem Mädchen aus der Parfümerieabteilung. Das könntest du sein, stellte Innes fest und legte ihr unter dem mit Feuchtigkeitsringen bedeckten Kneipentisch die Hand aufs Bein. Lexie beugte sich vor und stibitzte ihm die Zigarette aus dem Mund.
    Wie ein Reisender, der auf einem anderen Kontinent eintrifft, musste sie ihre Zeit umstellen. Sie schlief länger, weil sie erst am späten Vormittag oder hin und wieder auch erst mittags in der Redaktion sein musste. Mrs. Collins war jedes Mal entsetzt, wenn sie Lexie um zehn oder elf Uhr ins Bad gehen sah. »Ich wusste es!«, keifte sie eines Morgens. »Ich wusste, dass Sie auf Abwege geraten würden!« Lexie machte die Tür hinter sich zu, drehte das Wasser voll auf und schmunzelte in sich hinein. Sie arbeiteten bis zum Abend, und dann machten sie Soho unsicher - manchmal alle zusammen, manchmal in einem Dreier- oder Vierergrüppchen. Laurence ging am liebsten in den Mandrake Club, ein Musiklokal, wo sie meistens einen freien Tisch fanden. Aber Daphne beschwerte sich, mit ihm sei im Mandrake »überhaupt nichts anzufangen«, weil er sich so sehr von der Musik fesseln ließe, dass man sich nicht mehr mit ihm unterhalten könne. Sie wollte die anderen immer in den French Pub schleppen, einen stickigen, stinkenden Schuppen. Sie fühlte sich wohl unter den Horden von Huren und Matrosen und fand es schick, dass der Wirt sie mit Handkuss begrüßte und dass es auf der Theke eine Vorrichtung gab, mit der man Wasser durch einen Zuckerwürfel in ein Glas Absinth träufeln konnte. Innes votierte meistens für den Colony Room. Er war im Grunde kein großer Trinker, doch er argumentierte damit, dass die grünen und goldenen Wände des Lokals ihn zu neuen Ideen inspirierten. Laurence dagegen hatte zu oft die scharfe Zunge der Wirtin zu spüren bekommen,
die bei

Weitere Kostenlose Bücher