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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Daphne nur »die böse Belcher-Schlange« hieß. Man konnte die elsewhere -Redaktion mit schöner Regelmäßigkeit an irgendeiner Straßenecke antreffen, wo sie darüber stritten, wer mit wem wohin wollte.
    Da diese Nächte oft erst um zwei, drei Uhr morgens endeten, verstieß Lexie mehr als einmal gegen Mrs. Collins’ Ausgangssperre. Nachdem sie einmal eine ganze Woche lang nicht in ihrem Zimmer übernachtet hatte, holte Lexie ihre Sachen, während Innes mit laufendem Motor in seinem MG auf sie wartete, Zigarette im Mund, Sonnenbrille auf der Nase. Mrs. Collins war sprachlos vor Empörung und würdigte sie keines Blickes. Als Lexie die Haustür hinter sich zuzog, schrie sie »Liederliches Weibsbild!« hinter ihr her, worauf Innes in brüllendes Gelächter ausbrach. Er nannte sie noch Jahre später so.
    Innes’ Wohnung war eine Offenbarung für Lexie. Sie hatte noch nie etwas Vergleichbares gesehen. Es gab keine Gardinen vor den Fenstern, die Fußböden bestanden aus nackten Dielen, die Wände waren weiß getüncht, und die wenigen Möbel waren aus einem glatten, hellen Holz, zum Sitz, zum Regal, zum Sideboard gebogen. Skandinavisch, warf Innes ihr zu, als sie mit den Fingern über eine glatte Oberfläche fuhr, wie jemand, der einen Hund streichelt. Er besaß ein Bücherbord, das unterhalb der Decke einmal um die ganze Wohnung herumlief. »Damit sie mir verdammt noch mal keiner klaut«, antwortete er, als sie wissen wollte, warum. An den Wänden hing Kunst: ein John Minton, sagte er, ein Nicholson, ein de Kooning, ein Klein, mehrere Bacons, ein Lucian Freud, ein Pollock. Dann nahm er ihre Hand. Genug von denen, sagte er, komm, ich zeig dir das Schlafzimmer. Da geht’s rein.
    In einer Boutique in Chelsea kaufte Innes ihr einen scharlachroten
Mantel mit riesengroßen Stoffknöpfen, ein Kleid aus grünem Wollkrepe mit gerüschten Manschetten, ein Paar pfauenblaue Strümpfe - »Als alter Blaustrumpf kannst du genauso gut welche tragen.« -, einen Pullover mit weitem Kapuzenkragen. Er ging mit ihr zum Friseur und blieb neben dem Stuhl stehen. »So«, sagte er und fuhr mit dem Finger an ihrem Kinn entlang. »Und so.«
    Als ihre Eltern erfuhren, dass Lexie mit einem Mann zusammenlebte, teilten sie ihr mit, dass sie für sie gestorben sei und sich nie wieder bei ihnen blicken lassen solle. Sie tat ihnen den Gefallen.

E s ist heißer, als Elina gedacht hat. Im Haus war es wie immer gewesen - kühl, etwas klamm, die Luft still und stehend. Jetzt aber, seit sie draußen ist, in ihrer Jeans, den roten Sandalen und der Bluse mit dem Apfelmuster, ist es ihr zu heiß. Schweiß rinnt ihr am Rückgrat hinunter. Ihre Jeans ist aus der Zeit vorher - eine stinknormale Jeans ohne Gummizug, wie sie stinknormale Leute tragen. Es ist ihr egal, dass sie ihr am Bund eine Spur zu eng ist. Endlich trägt sie wieder richtige Sachen. Darin hat sie ein Gefühl, eine Ahnung, wie es sein könnte, sich wieder normal zu fühlen.
    Neben ihr ist Ted mit dem Stadtplan, in dem ein Brief vom Arzt liegt. Sie wollen in das Gesundheitszentrum auf der anderen Seite des Parks, zur Vorsorgeuntersuchung für Säuglinge. Als Ted vorgeschlagen hat, dass sie zu Fuß hingehen, hat Elina ihm nicht erzählt, dass sie vor zwei Tagen schon einmal einen Spaziergang mit dem Kind machen wollte und nur bis zur nächsten Straßenecke gekommen ist, bevor die Seiten des Kinderwagens vor ihren Augen verschwammen und sich die Sterne schimmernd von der Decke ablösten. Sie hatte sich auf die Bordsteinkante setzen müssen, die Füße in der Gosse, den Kopf zwischen den Knien, bevor sie sich zum Haus zurückschleppen konnte. Sie hat nur gesagt: »Lass uns ein Taxi nehmen.«
    In dieser Gegend kennen sie sich beide nicht aus, in diesem
Straßenraster hinter einer Hauptverkehrsader, die in Richtung Norden führt. Ted sagt, der Stadtteil heißt Dartmouth Park. Der Taxifahrer hat sie auf der Hauptstraße abgesetzt, angeblich wegen des Einbahnsystems, und jetzt suchen sie das Gesundheitszentrum. Ted ist überzeugt, den Weg gefunden zu haben. Dann überlegt er es sich anders und meint, es sei die entgegengesetzte Richtung. Sie müssen das ganze Stück wieder zurück. Er setzt Elina das Kind auf den Arm, um in den Stadtplan zu schauen.
    »Da drüben«, sagt er und marschiert los, quer über eine Straße. Elina trottet hinter ihm her. Sie hat Angst, dass das Kind zu viel Sonne abbekommt, dass die Decke zu warm ist, dass sie gleich in der Hitze umkippt, wenn Ted sie noch sehr viel weiter

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