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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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hat zu tun. Siehst du denn nicht, dass er an seiner Karriere bastelt?«
    »Eines muss ich dich noch f ragen«, sagt Daphne in ernsterem Ton. »Dann lassen wir dich auch wieder in Frieden. Wieso ausgerechnet er?«
    Lexie sieht sie an. »Was meinst du damit?«
    »Ich kann es mir nicht erklären. Warum er und nicht einer von den tausend anderen, die hinter dir her waren?«
    »Da kann ich mir mehrere Gründe vorstellen«, murmelt David mit einem beifälligen Blick auf Felix. Laurence lacht leise.
    »Weil …« Lexie überlegt. »Weil er nichts wissen will«, antwortet sie schließlich.
    »Was hast du gesagt?«, fragt David und beugt sich zu ihr. »Er fragt nichts?«
    »Er will nichts wissen«, sagt Lexie. »Er stellt mir keine Fragen. Ich habe noch nie einen Menschen gekannt, der so wenig neugierig war. Und das …«
    »Das kommt dir sehr entgegen«, beendet Laurence den Satz für sie.
    Sie lächelt. »Ja«, nickt sie. »Das kommt mir sehr entgegen.«
    Alles schweigt. Dann lehnt Daphne sich nach hinten und fischt eine Flasche Wein vom Schreibtisch. »Einen Toast!«, ruft sie. »Wir haben noch gar nicht auf die Galerie getrunken.« Sie schenkt ihnen schwungvoll ein. »Auf Laurence und David und die Angle Gallery«, sagt sie. »Möge ihnen
ein langes, glückliches und einträgliches Leben beschieden sein.«

    Es ist Nacht, tiefste Nacht, und in Belsize Park ist alles ruhig. Vor einer Weile ist ein Auto den Haverstock Hill hinuntergerast. Ein Eichhörnchen - eines von der rattenartigen, überfütterten grauen Sorte - verharrt kurz auf der Fahrbahn, blickt sich um und huscht dann auf die andere Seite der Straße.
    Vor dem Haus liegt ein kleiner Irrgarten aus akkurat gestutzten Buchsbaumhecken. Kinder laufen gern durch die niedrige Spirale, die in immer neuen Windungen unaufhaltsam zum Mittelpunkt führt, auch wenn die Mütter es nicht so gern sehen. Weil es nicht gut für die Wurzeln ist, sagen sie. Zwischen dem Labyrinth und dem Bürgersteig steht ein Mäuerchen aus rotem Backstein, das es schon zu Lexies Zeiten gegeben hat. Daneben ein Torpfosten mit einem schweren, weißen Abschlussstein, der sich bei frostigem Wetter glitzernd mit Raureif überzieht.
    Als Lexie nach Innes’ Tod aus dem Krankenhaus kam, hat sie sich auf diesen Stein gestützt. Es war früher Abend. Irgendwie hatte sie es bis nach Hause geschafft, in der Hand noch immer den Schal und die Illustrierten - die Veilchen waren längst verstreut. Sie wollte gerade den Gartenweg hinaufgehen, als ein Mann von dem Mäuerchen aufstand.
    »Miss Sinclair?«, f ragte er.
    Sie fuhr zu ihm herum, die Hand auf dem Pfosten.
    »Miss Alexandra Sinclair?«
    »Ja«, antwortete sie.
    Er übergab ihr einen Briefumschlag. »Hiermit gilt dieses Schriftstück als persönlich zugestellt«, sagte er.

    Der Umschlag war schlicht, braun und nicht verschlossen. »Schriftstück?«
    »Ein Räumungsbefehl, Madam.«
    Sie sah ihn an, ihn und seinen Schnurrbart. Wie seltsam, dass der Schnurrbart braun war, seine Haare aber grau. Der Torpfosten fühlte sich rau und froststarr an. Sie nahm die Hand weg und tastete ihre Manteltasche nach dem Hausschlüssel ab. »Ich verstehe nicht.«
    »Meine Mandantin, Mrs. Gloria Kent, fordert Sie auf, die genannte Immobilie bis morgen zu räumen und den Räumlichkeiten dabei nur solche Gegenstände zu entnehmen, bei denen es sich nachgewiesenermaßen um Ihr persönliches Eigentum handelt. Sollten Sie etwas entfernen, was zur Erbmasse ihres verstorbenen Ehema…«
    Mehr hörte sie nicht. Sie rannte den Weg hinauf, rannte ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu.
    Am selben Abend kam Laurence vorbei. Er hatte überall in London nach ihr gesucht. Er nahm ihr den rosafarbenen Räumungsbescheid aus der Hand und las ihn sich durch. Nach ein paar deftigen Flüchen sagte er, Gloria mache ihrem schlechten Ruf alle Ehre. Lexie fand erst später heraus, dass Gloria bereits zu diesem Zeitpunkt ein anwaltliches Schreiben in die elsewhere -Redaktion geschickt hatte, in dem sie die Mitarbeiter über den beabsichtigten Verkauf der Zeitschrift in Kenntnis setzte. Doch an diesem Abend sagte Laurence ihr nichts davon, und er behielt auch für sich, dass Daphne und er erst durch dieses Schreiben von Innes’ Tod erfahren hatten. Er schenkte ihr einen Whisky ein, setzte sie in einen Sessel und packte sie warm in eine Daunendecke ein. Dann machte er sich daran, die Wohnung aufzulösen, ihr Heim, ihr Leben.
    In aller Frühe warteten Laurence und Lexie am nächsten
Morgen vor

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