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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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Lobeshymne auf die Meisterleistungen der zweitältesten Enkelin auf der Querflöte. »War Dad … War er okay … nach unserer Geburt?«

    »Okay?«
    »Oder ist er … ein bisschen sonderlich geworden?«
    »Sonderlich? Inwiefern?«
    »Irgendwie - ich weiß auch nicht - geistesabwesend. Verschlossen.« Elina wartet, das Telefon fest am Ohr, als dürfe sie sich keinen Ton entgehen lassen.
    »Warum willst du das wissen?«, fragt ihre Mutter schließlich zurück.
    Elina beißt sich auf die Lippen und seufzt. »Nur so eine Frage«, antwortet sie. »Kein besonderer Grund. Was hältst du davon, Aiti , wenn wir …, wenn wir vielleicht rüberkommen?«
    »Rüberkommen?«
    »Nach Nauvo. Zu dir. Ich … Ich dachte mir, dass … Na ja, weil du doch Jonah noch gar nicht kennst, und Ted würde die Luftveränderung guttun und … Ich war schon ewig nicht mehr da.« Wieder wird es still in der Leitung. »Wie fändest du das?«, hakt Elina schließlich verzweifelt nach.
    »Also, die Sache ist die. Jussi ist noch bis zum Ende des Monats hier, und wenn er wieder nach Jyväskylä fährt, lässt er die Mädchen bei mir. Ich hab sie zwei Wochen lang ganz für mich alleine. Und ich glaube, dann kommt Hannele und holt sie ab. Ich müsste nachsehen - ich weiß nicht genau, wann wir …«
    »Schon gut. Es macht nichts.«
    »Aber wir würden uns so freuen, wenn du kommen könntest. Die Mädchen würden Jonah so gern sehen. Ich natürlich auch.«
    »Ist schon klar. War ja auch nur eine Frage. Dann eben ein andermal.«
    »Vielleicht im Herbst oder …«
    »Ich muss Schluss machen.«

    »Im September? Du darfst wirklich nicht denken, dass ich dich nicht …«
    »Ich muss auflegen. Jonah weint. Ich melde mich. Ciao.«

    Als Elina aufwacht, hat sie das Gefühl, höchstens ein paar Minuten geschlafen zu haben. Es ist stockfinster, nur durch die Fenster rechts von ihr dringt ein fahler orangefarbener Schein ins Zimmer. Jonah weint, er ruft nach ihr. Eine halbe Sekunde lang bleibt sie auf dem Rücken liegen; sie kann nicht aufstehen, so wie Gulliver, nachdem die Liliputaner seine Haare am Boden festgezurrt hatten. Dann hievt sie sich aus dem Bett, tastet sich taumelnd zum Gitterbettchen und hebt Jonah heraus.
    Beim Wickeln im Dunkeln stellt sie sich an, als ob sie zwei linke Hände hätte. Jonah ist hungrig, er strampelt so heftig, dass sie den Schlafanzug nicht mehr über seine Beinchen bekommt. Als Elina versucht, sie sanft hineinzuschieben, brüllt er vor Empörung.
    »Okay«, sagt sie. »Dann eben nicht.« Sie setzt sich mit ihm ins Bett, um ihn zu stillen.
    Jonah trinkt. Langsam entkrampfen sich seine Fäustchen, sein Blick wird dösig. Elina wandert zwischen Halbschlaf und Halbwachsein hin und her: Sie sieht die Veranda ihrer Mutter in Nauvo vor sich, sieht Jonahs rundes Köpfchen im Dunkeln, sieht das glatte Wasser zwischen den Schären an einem windstillen Tag, sieht ein Gemälde, an dem sie vor Jonahs Geburt gearbeitet hat, sieht die Struktur der Leinwand unter einer dicken Farbschicht, sieht wieder Jonah, der immer noch trinkt, sieht das Muster der einander schneidenden Straßenbahngleise an einer Kreuzung in Helsinki, sieht …

    Plötzlich ist sie hellwach, zurück im Schlafzimmer. Weil ihr kalt ist, denkt sie zuerst. Das Oberbett ist weg.
    Ted sitzt kerzengerade im Bett, das Gesicht in den Händen.
    »Was hast du?«, fragt sie.
    Er antwortet nicht. Sie legt ihm die Hand auf den Rücken. »Ted? Was ist los?«
    »Oh«, sagt er und dreht sich verstört zu ihr um. »Oh.«
    »Was ist passiert?«
    »Ich hab …« Unsicher blickt er sich im Zimmer um.
    »Es ist mitten in der Nacht«, sagt sie, um seine Verwirrtheit zu überspielen. »Erst halb zwei.«
    Ächzend legt er sich wieder hin; er schmiegt sich an Jonah und legt Elina die Hand auf die Hüfte. Sie kuschelt sich an ihn, schiebt ihren Fuß zwischen seine Waden. »O Gott«, flüstert er. »Ich hab geträumt - einen wirklich schlimmen Traum. Ich war hier im Haus, und ich konnte irgendwo jemanden reden hören. Ich habe überall nach dir gesucht, im ganzen Haus, und dich gerufen, aber ich konnte dich nicht finden. Und dann bin ich ins Schlafzimmer gekommen, und du hast auf dem Stuhl gesessen, mit dem Rücken zu mir, mit Jonah auf dem Arm, und ich hab dir die Hand auf die Schulter gelegt, und als du dich zu mir umgedreht hast, warst du es gar nicht, es war jemand anderer, es war …« Er reibt sich das Gesicht. »Es war fürchterlich. Vor Schreck bin ich aufgewacht.«
    Elina setzt sich hin, legt

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