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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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ihr in die Hand, läuft ihr in den Ärmel. Sie stellt sie in ein Marmeladenglas. Die Blumen halten nicht. Sie wirft sie aus dem Fenster, mitsamt dem Marmeladenglas. Wie sie an ihrem abgeteilten Fenster steht und zum Bürgersteig hinaufsieht, auf die Fußknöchel der Passanten und ihre Schuhe, auf die Pfoten von Hunden und die Räder von Kinderwagen. In der einen Hand hält sie eine Zigarette, die sie nicht raucht, mit der anderen reißt sie sich die Haare einzeln aus und lässt sie zu Boden schweben.
    Genauso stand sie da, als eines Tages plötzlich ihre Tür aufging.
    »Hier hast du dich also verkrochen«, sagte die Besucherin.
    Lexie sah sie an, aber sie erkannte sie nicht gleich. Es war
eine Frau mit kurzgeschnittenen Haaren, in einem Hängermantel und flachen Schnallenschuhen.
    »Daph?«, sagte Lexie.
    »Du großer Gott.« Daphne blieb kopfschüttelnd vor ihr stehen und musterte sie stumm, als ob es ihr momentan die Sprache verschlagen hätte. »Wie siehst du denn aus?«, fragte sie schließlich.
    »Wieso?«
    »Was hast du denn mit deinen …?«
    »Meinen was?
    »Ach, egal.« Daphne schnalzte missbilligend mit der Zunge. Sie bediente sich aus der Zigarettenschachtel, die auf der Fensterbank lag, und knöpfte ihren Mantel auf. Sie wollte ihn wohl auch ablegen, aber nachdem sie sich das Zimmer ein bisschen genauer angesehen hatte, besann sie sich eines Besseren. Sie wanderte auf und ab, verpasste dem Bett einen Fußtritt, drehte den Wasserhahn auf und wieder zu, zupfte an der sich abschälenden Tapete. »Herrgott«, sagte sie zuletzt. »Was für ein Verlies. Und stinken tut es auch. Wie viel zahlst du dafür?«
    »Das geht dich nichts an.«
    »Lex.« Daphne packte sie bei den Schultern. »Das kann so nicht weitergehen. Hast du verstanden?«
    »Was kann so nicht weitergehen?«
    »Das hier.« Sie zeigte auf das Zimmer. »Und das da.« Sie zeigte auf Lexies Kopf.
    Lexie riss sich los. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Du darfst dir das nicht antun. Dir nicht. Und Laurence und mir nicht. Wir haben uns wahnsinnige Sorgen um dich gemacht. Wir dachten schon …«
    »Tut mir leid.« Lexie drückte ihre Zigarette in dem Aschenbecher auf der Fensterbank aus.

    Daphne nahm den Kaschmirschal vom Sessel und fuchtelte ihr damit wütend vor dem Gesicht herum. »Das bringt ihn doch auch nicht wieder zurück. Und was meinst du eigentlich, was er dazu sagen würde? Wenn er dich jetzt sehen könnte?«
    »Leg das wieder hin«, sagte Lexie. Daphne merkte, dass sie zu weit gegangen war, und gehorchte sofort. Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und paffte nachdenklich vor sich hin. Lexie drehte sich wieder zum Fenster, wo gerade jemand in braunen Schuhen vorüberging.
    »Erinnerst du dich an Jimmy?«, f ragte Daphne.
    »Jimmy?«
    »Großer Kerl, rote Haare, arbeitet beim Daily Courier . Hatte vor Urzeiten mal ein Techtelmechtel mit Amelia.«
    »Hm.« Lexie hob den Aschenbecher hoch und stellte ihn wieder hin. »Kann sein.«
    »Ich hab ihn gestern Abend im French Pub getroffen. Er hat einen Job für dich.«
    Lexie drehte sich um. »Einen Job?«
    »Ja, einen Job. Du weißt doch noch, was das ist? Man arbeitet und kriegt Geld dafür. Draußen in der Welt.« Daphne schnippte ihre Asche in den Kamin. »Es ist alles bereits geregelt. Du fängst Montag an.«
    Lexie suchte fieberhaft nach einer glaubhaften Ausrede, aber ihr fiel keine ein. »Was ist denn das für ein Job?«, fragte sie.
    »Sie brauchen jemanden bei den Familienanzeigen.«
    »Bei den Familienanzeigen?«
    »Ja.« Daphne seufzte genervt. »Schon mal gehört? Geburten, Todesfälle, Eheschließungen? Ist nicht besonders spannend, und du könntest das im Schlaf, aber es ist immer noch besser als das hier.«

    »Geburten, Todesfälle, Eheschließungen«, wiederholte Lexie.
    »Ja. Alle wichtigen Dinge im Leben.«
    »Warum nimmst du den Job nicht selber an?«
    Daphne zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht, ob ich die Richtige dafür wäre. Ich in der Fleet Street? Wohl eher nicht.«
    »Vielleicht bin ich auch nicht die Richtige dafür.«
    Daphne stand auf und klopfte ihren Mantel ab. »Doch«, sagte sie. »Das bist du. Oder du könntest es zumindest werden. Auf jeden Fall ist es besser, als in diesem Rattenloch langsam den Verstand zu verlieren. Also dann. Montag, neun Uhr. Pünktlich. Komm ja nicht zu spät.« Sie hakte sich bei ihr unter. »Los, Lexie. Zieh dir was über.«
    »Wo willst du mit mir hin?«
    »Wir gehen essen. Du siehst so aus, als ob du eine anständige

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