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Die Hand die damals meine hielt - Roman

Titel: Die Hand die damals meine hielt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maggie O Farrell
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einzige Änderung. Es folgte ein Text über David Hockneys künstlerische Auseinandersetzung mit William Hogarth, dann ein Porträt des neuen Chefintendanten des National Theater, danach ein Beitrag für die Frauenseiten zu dem Thema, warum sich
nicht mehr junge Frauen an Kunstakademien bewerben. Nachdem dieser Artikel erschienen war, bestellte Carruthers Lexie in sein Büro.
    Er hatte seine langen Beine auf den Schreibtisch gelegt, so dass man seine burgunderroten Socken sehen konnte, und balancierte ein Lineal zwischen den Zeigefingern. Er bedeutete ihr, Platz zu nehmen. »Eine Frage«, sagte er. »In welcher Funktion beschäftigen wir Sie zur Zeit?«
    »Als Anzeigenassistentin.«
    »Anzeigenassistentin«, wiederholte Carruthers bedächtig. »Ich wusste gar nicht, dass es so einen Job bei uns gibt. Sie arbeiten unter Andrew Fuller, richtig?«
    Lexie nickte.
    »Und zu Ihren Aufgaben gehört was genau?«
    »Geburts-, Todes- und Heiratsanzeigen aufnehmen. Dem Kreuzworträtsel und der Landleben-Kolumne nachjagen. Das Vermischte Korrektur lesen, Texte redigie…«
    »Gut, gut.« Er schnitt ihr mit einem Flippen des Lineals das Wort ab. »Mir scheint, wir haben Sie unterschätzt.«
    »Ach?«
    Carruthers schwang die Beine vom Tisch und fixierte sie mit zusammengekniffenen Augen. »Und jetzt verraten Sie mir doch mal, wo Sie in Wahrheit herkommen, Miss Lexie Sinclair.«
    »Was meinen Sie damit?«
    »So wie Sie schreiben, schreibt keine Tippse. Wer so berichtet, wie Sie berichten, dem hat man das nicht in der Anzeigenabteilung in die Wiege gelegt. Sie müssen es irgendwo gelernt haben, und ich will wissen, wo.«
    Lexie faltete die Hände. Sie sah ihm in die Augen. »Bevor ich hier angefangen habe, war ich bei einer Zeitschrift.«
    »Was für eine Zeitschrift?«

    » Elsewhere .« Sie hatte das Wort seit vielen Monaten nicht mehr ausgesprochen. Es war ein seltsames Gefühl, als ob es ein Fremdwort wäre, dessen Bedeutung man sich nicht ganz gewiss ist.
    »Bei Innes Kent?«, f ragte Carruthers.
    Sie starrten sich an. Dann neigte Lexie bejahend den Kopf, einmal. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und lächelte leise.
    »Aha«, sagte er. »Jetzt verstehe ich alles. Wenn ich gewusst hätte, dass Innes Kent Ihr Lehrer war, hätte ich Sie schon vor Monaten aus der Anzeigenabteilung rausgeholt. Ein Herausgeber von seinem Kaliber. Was für eine Tragödie, was mit ihm passiert ist. Von der Zeitschrift ganz zu schweigen. Ich kannte ihn ein bisschen. Ich wäre auf seine Beerdigung gegangen, wenn ich davon gewusst hätte, aber …« Er redete immer weiter. Lexie krallte ihre Hände ineinander und fing an, die Stifte in dem Topf auf seinem Schreibtisch zu zählen. Drei orangefarbene. Vier rote. Sechs blaue, zwei kürzer als die anderen.
    Plötzlich wurde ihr bewusst, dass Carruthers sie interessiert musterte. »Wie bitte?«, f ragte sie.
    »Sie sind nicht die Frau, mit der er …?«
    Sie ließ das Kinn auf die Brust sinken. Wenn sie lange genug auf den Stoff ihres Kleides blickte und den Strömen und Wirbeln des Paisleymusters bis zu ihrem Ende folgte, würde dieser Kelch an ihr vorübergehen.
    »Entschuldigen Sie«, murmelte Carruthers. Er räusperte sich, legte raschelnd ein paar Papiere auf die andere Schreibtischseite. »Die Sache ist die«, dröhnte er schließlich mit seiner normalen Stimme weiter. »Wir möchten, das Sie für uns schreiben. Sie bekommen das Doppelte von dem, was Sie mit ihrer derzeitigen Tätigkeit verdienen, und Sie werden
für die unterschiedlichsten Ressorts arbeiten. Außerdem schließt Ihr neuer Aufgabenbereich unter Umständen einiges an Reisetätigkeit mit ein. Sie werden die einzige Frau in der Redaktion sein, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie damit Probleme haben. Nach allem, was ich gehört habe, können Sie gut auf sich selber aufpassen.« Er winkte sie hinaus. »Gehen Sie, und suchen Sie sich einen Schreibtisch beim Rest der Truppe. Viel Glück.«
    Lexie wurde beim Courier zur festangestellten Journalistin befördert. Sie war tatsächlich die einzige Frau in dieser Funktion und sollte es auch noch einige Jahre bleiben. Die Einladungen zum Mittagessen ebbten ab, als ob von ihr in ihrer neuen Position ein Kraftfeld ausginge, dem sich kein Kollege zu nähern wagte. Sie nahm sich eine kleine Wohnung in Chalk Farm, aber sie war fast nie zu Hause. Sie lebte, sie arbeitete, sie reiste. Sie fing eine bedeutungslose Affäre mit Felix an, ließ ihn fallen, ließ sich wieder mit ihm ein. Daphne

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