Die Hand
beiden waren inzwischen verstorben.
Vor allem Sergeant Robson wollte die Niederlage, die er erlitten hatte, noch nicht glauben. „Es will mir einfach nicht in den Kopf“, zürnte er. „Ich bin hundertprozentig sicher, daß dieser Junge, Ron, mir eine exakte Beschreibung von dem Kerl, Reg heißt er ja wohl, gegeben hat. Der überlegte sich genau, was er sagte. Ein ganz ausgeschlafenes Kerlchen, dieser Ron Dullinger.“
Scott Skiffer rieb sich müde die Augen, Inspektor Ridley lehnte schlaff an der Wand, anscheinend seinem Lieblingsplatz im Büro des Chefs. Andrew Ellis, der einzige Nichtraucher unter den versammelten Beamten, vertrieb mit stetig mehr erlahmenden Handbewegungen die Rauchfetzen vor seinem Gesicht und sagte: „Lassen wir den Kopf nicht hängen, Männer. Zwar sind wir trotz der ausgezeichneten Zeichnung von Robson“ — der Sergeant hatte bei diesem Lob trotz aller Müdigkeit noch die Energie, rote Ohren zu bekommen — „nicht recht weitergekommen. Aber immerhin haben wir damit erst einmal etwas Handfestes auf dem Tisch liegen. Irgendwann wird uns dieser Kerl und die ganze Bande ins Netz gehen.“ Zur Bekräftigung seiner Worte klopfte Ellis dem Gesicht auf der Zeichnung heftig auf die Stirn.
„Soviel Glück, wie die bisher gehabt haben, kann ja nicht ewig dauern. Eigentlich müßten nun bald wir am Zug sein.“ Scott Skiffer ließ bei diesen aufmunternden Worten seine grimmige Entschlossenheit durchblicken.
Inspektor Ridley knurrte merklich verärgert: „Ich kann mir nicht helfen. Aber je länger ich die Fratze betrachte, desto mehr habe ich den Eindruck, der lacht uns hier in unserem eigenen Büro noch aus.“
„Mein Büro“, verbesserte Andrew Ellis leicht gereizt. „Es ist mein Büro, das ihr hier vollqualmt, Herrschaften. Drum würde ich sagen, wir machen Schluß und hauen uns in die Falle, sonst muß ich hier morgen wegen Nebels ausziehen. Außerdem, müde Katzen fangen keine Mäuse.“
Alle waren froh über diese Entscheidung des Chiefinspectors. Ridley strich mißmutig über seine beachtlichen Bartstoppeln und verursachte dabei ein schabendes Geräusch, das ihm eindringlich ins Bewußtsein rief, daß er nun bereits 14 Stunden auf den Beinen war. Und Scott Skiffer dachte wehmütig: „Wenn nur Perry hier wäre.“
Wie konnte er wissen, daß Perry Clifton schon dabei war, den verzweifelten Inspektor bei diesem verwickelten Fall tatkräftig zu unterstützen.
Perry Clifton interessiert sich für Malerei
Wilkesham, 31. Juli.
Gut acht Stunden bevor Scott Skiffer todmüde ins Bett fiel, also gegen 15 Uhr, führte Dicki seinen großen Freund Perry hinunter in den winzigen Hafen von Wilkesham. Großvater Miller blieb zu Hause, wo er ungeduldig auf seinen Freizeitpartner Ilias Spiriodakis wartete.
Der Hafen von Wilkesham war nicht nur sehr klein, sondern auch uralt. Bis zur Jahrhundertwende, als hier der Schmuggel blühte, hatte er bessere Zeiten erlebt, auch die Vorfahren der Möwen, deren Kreischen alles andere übertönte, während sie darauf lauerten, daß etwas für sie abfiel.
Jetzt dümpelten nur wenige Boote am Ufer. Ein kräftiger, wenn auch nicht unangenehmer Wind blies vom Atlantik her an die Küste. Deshalb hatten sich Dicki und Perry Pullover angezogen. Perry, der sich eine Pfeife angezündet hatte, sah fast aus wie ein alter Seebär. Aufmerksam hörte er Dicki zu, der ihm gerade „Geschichtsunterricht“ gab.
„Ganz früher, so sagt Großvater, haben hier über zwanzig Fischerboote gelegen. Große Boote. Jetzt fahren nur noch zwei hinaus. Viele der Fischer waren gleichzeitig auch Schmuggler. Das Dorf hat zu der Zeit gut gelebt, sagt Großvater. Er sagt auch, daß der damalige Pfarrer beide Augen zugedrückt hat, obwohl er über die Geschäfte der Männer Bescheid wußte. Aber er erhielt immer großzügige Spenden von den Schmugglern und konnte so eine Glocke für seine Kirche kaufen, die heute noch in Wilkesham zu den Gottesdiensten läutet.“ Dicki seufzte: „Das waren noch Zeiten, Mister Clifton. Da wäre ich gerne dabeigewesen. Stellen Sie sich vor: Dicki Miller als Schmuggler. Natürlich hätte ich dann eine eigene Bande gehabt...“
Perry Clifton lächelte, legte seinen rechten Arm um Dickis Schultern und zog kräftig an seiner Pfeife. „Ich glaube, du siehst das zu romantisch, lieber Dicki. Die Leute damals schmuggelten wohl in erster Linie, um das Nötigste zum Leben zu haben. Die meisten litten bittere Not wegen der hohen Abgaben, die ihre jeweiligen
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