Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
Kartch.«
»Nichts als Scherereien. Und alles total überflüssig.« Gowacki funkelte den Toten an, als wäre sein gewaltsames Ende keine ausreichende Strafe gewesen. »In jedem Ort gibt es Unruhestifter - randalierende Säufer, Drecksäcke, die ihr Haus in einen Schweinestall verwandeln, um die Nachbarn zu ärgern, Widerlinge, deren Exfrauen sich mit einstweiligen Verfügungen schützen müssen, Armleuchter, die ihre Hunde die ganze Nacht bellen lassen, schräge Vögel, bei denen jede Mutter im Umkreis von einer Meile um ihre Kinder fürchtet. Hier in Sotherton hat diese Funktionen ein einziges Arschloch übernommen: Richie Kartch.«
»Klingt ziemlich übel.«
»Nur so aus Neugier - waren die anderen Opfer auch so ähnlich wie er?«
»Der erste Tote war praktisch das Gegenteil. Beim zweiten kenne ich zwar noch keine Einzelheiten zur Person, aber so wie der Typ hier war er wohl kaum.« Wieder fixierte Gurney das Gesicht am Boden, so hässlich im Tod, wie es offenbar im Leben gewesen war.
»Ich hab mich schon gefragt, ob es vielleicht ein Serienmörder ist, der die Welt von Arschlöchern befreien will. Jedenfalls, um auf Ihre Bemerkung zu den Fußspuren im Schnee zurückzukommen: Woher wissen Sie, dass sie verkehrt rum nachvollziehbarer sind?«
»So war es beim ersten Mord.«
Gowackis Augen verrieten Interesse. »Die Position der Leiche passt zu einem Angreifer, der durch die Hintertür kommt. Aber die Fußabdrücke deuten auf jemanden, der durch den Vordereingang rein- und durch die Hintertür rausmarschiert ist. Der reinste Irrsinn.«
»Kann ich mich mal in der Küche umsehen?«
»Nur zu. Fotograf, Gerichtsmediziner und die Jungs von der Spurensicherung waren alle schon da. Aber verändern Sie nichts. Wir durchsuchen noch seine persönlichen Besitzgegenstände.«
»Hat der Gerichtsmediziner was von Schmauchspuren gesagt?«
»Schmauchspuren? Die Verletzungen stammen von einem Messer.«
»Ich vermute, dass sich hinter diesem Gemetzel auch noch eine Schusswunde verbirgt.«
»Ist Ihnen was aufgefallen, was ich übersehen habe?«
»Ich glaube, da oben an der Decke in der Ecke über dem Kühlschrank ist ein kleines rundes Loch. Hat sich jemand von der Spurensicherung dazu geäußert?«
Gowacki folgte Gurneys Blick. »Was soll das heißen?«
»Dass Kartch vielleicht vor den Stichen schon erschossen wurde.«
»Und die Fußabdrücke gehen wirklich in die andere Richtung?«
»Ja.«
»Also noch mal ganz langsam. Sie sagen, der Mörder kommt durch die Hintertür, schießt Richie in den Hals, Richie fällt hin, und dann sticht ihm der Täter zehnmal in die Kehle, als würde er ein Steak weichmachen?«
»So ungefähr ist es in Peony gelaufen.«
»Aber die Fußspuren …«
»Mit den Abdrücken könnte er es so gemacht haben, dass er eine zweite Sohle falsch herum aufgeklebt hat, damit es aussieht, als wäre er vorn rein und hinten raus, während es in Wirklichkeit genau umgekehrt war.«
»Scheiße, das ist doch lächerlich! Was ist das für ein bescheuertes Spiel?«
»Das ist das richtige Wort dafür.«
»Was?«
»Spiel. Ein brutales Spiel, für drei Leute ist es schon tödlich ausgegangen. ›Ihr Bullen seid so blöd, dass ihr nicht mal wisst, wo hinten und vorn ist. Ich geb euch einen Hinweis nach dem anderen, aber ihr kommt mir nicht auf die Spur. Was seid ihr bloß für Nieten!‹ Das ist die Botschaft, die er uns an jedem Tatort hinterlässt.«
Gowacki taxierte Gurney eindringlich. »Sie können sich wirklich lebhaft in den Typen reinversetzen.«
Lächelnd umrundete Gurney die Leiche, um zu einem Stapel Papier auf der Arbeitsplatte zu gelangen. »Sie meinen, ich klinge etwas angespannt?«
»Kann ich nicht beurteilen. In Sotherton passieren nicht viele Morde. Einer in fünf Jahren vielleicht, und selbst dann läuft es meistens auf Totschlag raus. Baseballschläger und Montierhebel auf Barparkplätzen. Nichts Geplantes. Und auf keinen Fall irgendwelche Spielchen.«
Gurney knurrte mitfühlend. Er hatte selbst mehr als genug Fälle kopfloser Gewalt erlebt.
»Alles nur Müll.« Gowacki deutete mit dem Kinn auf den Haufen Post, den Gurney vorsichtig durchging.
Er wollte schon zustimmen, als er ganz unten in dem unordentlichen Stapel von Anzeigenblättern, Broschüren, Waffenmagazinen, Mahnungen und Military-Katalogen auf einen grob aufgerissenen leeren Umschlag stieß, der an Richard Kartsch adressiert war. Die Handschrift war gestochen scharf, die Tinte rot.
»Was gefunden?«, fragte
Weitere Kostenlose Bücher