Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
leid, ich habe Sie gar nicht bemerkt. Wir wurden aufgehalten. Eine Komplikation in letzter Minute. Anscheinend ein weiterer Mord.« Er wandte sich an Rodriguez. »Rod, würden Sie die Anwesenden bitte über die Vorfälle in Connecticut informieren?« Er schüttelte kurz den Kopf, als hätte er Wasser im Ohr. »Der verrückteste Fall, der mir je begegnet ist!«
»Allerdings.« Rodriguez schlug seine Akte auf. »Heute Vormittag um elf Uhr fünfundzwanzig hat Lieutenant John Nardo von der Polizei in Wycherly telefonisch Meldung erhalten von einem Mord auf dem Grundstück eines gewissen Gregory Dermott, der uns als Besitzer des Postfachs im Fall Mark Mellery bekannt ist. Auf Anforderung von Sonderermittler David Gurney war für Dermott ein befristeter Polizeischutz abgestellt worden. Heute Morgen um acht Uhr…«
Kline hob die Hand. »Sekunde, Rod. Becca, kennen Sie Dave überhaupt schon?«
»Ja.«
Die kühle, knappe Antwort schien darauf berechnet, eine eingehendere Vorstellung abzuwehren, doch Kline ließ sich nicht stoppen.
»Ihr beide müsstet euch eigentlich gut verstehen. Die Psychologin mit der besten Profilingbilanz der Branche und der Detective mit den meisten geklärten Mordfällen in der Geschichte des NYPD.«
Das Lob war allen Anwesenden sichtlich peinlich. Aber es führte auch dazu, dass Holdenfield Gurney zum ersten Mal mit einigem Interesse betrachtete. Er selbst war zwar kein Anhänger von professionellen Profilern, doch
nun wusste er wenigstens, warum ihm ihr Name bekannt vorgekommen war.
Kline schien entschlossen, seine beiden Stars gebührend herauszustreichen. »Becca liest ihre Gedanken, Gurney bringt sie zur Strecke - den kannibalischen Knecht Ruprecht, Jason Strunk, Peter Possum Dingsda…«
Mit minimal geweiteten Augen wandte sich die Psychologin an Gurney. »Piggert? Das waren Sie?«
Gurney nickte.
»Ziemlich berühmter Fall.« Ein Hauch von Bewunderung schwang in ihrer Stimme mit.
Er brachte ein mattes, zerstreutes Lächeln zuwege. Die Lage in Wycherly - und vor allem die Frage, ob sein eigenes impulsives Eingreifen mit dem Gedicht mit zum Tod des Polizeibeamten beigetragen hatte - nagte an ihm.
»Fahren Sie fort, Rod«, bemerkte Kline abrupt, als hätte der Captain die Unterbrechung verursacht.
»Um acht Uhr morgens fuhr Gregory Dermott in Begleitung von Officer Gary Sissek zum Postamt von Wycherly. Nach Darstellung Dermotts kamen sie um acht Uhr dreißig zurück, er machte sich Kaffee und Toast und ging seine Post durch, während Officer Sissek draußen blieb, um die Umgebung des Grundstücks und die äußere Sicherheit des Hauses zu überprüfen. Um neun wollte Dermott nach Officer Sissek sehen und fand seine Leiche auf der hinteren Terrasse. Er hat sofort den Notruf verständigt. Die kurz darauf eingetroffenen Beamten haben den Tatort gesichert und eine Nachricht gefunden, die über der Leiche an die Tür geklebt war.«
»Schusswunde und mehrere Stichverletzungen wie bei den anderen?«, fragte Holdenfield.
»Stichverletzungen bestätigt, Schusswunde wurde noch nicht entdeckt.«
»Und die Nachricht?«
Rodriguez las aus einem Fax in seiner Akte vor. »Wo kam ich denn bloß her,/Wohin bin ich verschwunden?/Es sterben wohl noch mehr,/Bis Ihr’s herausgefunden.«
»Das gleiche durchgedrehte Zeug«, sagte Kline. »Was meinen Sie, Becca?«
»Möglicherweise beschleunigt sich der Vorgang.«
»Der Vorgang?«
»Bis jetzt war alles sorgfältig geplant - die Wahl der Opfer, die aufeinanderfolgenden Briefe, alles. Das hier ist anders, eher eine Reaktion als ein Vorsatz.«
Rodriguez gab sich skeptisch. »Das gleiche rituelle Gemetzel, die gleiche Art von Nachricht.«
»Aber es war ein unvorhergesehenes Opfer. Anscheinend war dieser Mr. Dermott die eigentliche Zielscheibe, und der Polizist wurde nur getötet, weil er dem Täter in die Quere kam.«
»Aber die Nachricht …«
»Vielleicht hatte er sie dabei und wollte sie auf Dermotts Leiche legen, oder er hat sie an Ort und Stelle verfasst, als Antwort auf die veränderten Umstände. Es kann von Bedeutung sein, dass sie nur vier Zeilen enthält. Die anderen hatten doch alle acht Zeilen?« Ihr fragender Blick traf Gurney.
Er nickte, noch immer halb versunken in Spekulationen. Dann zwang er sich zur Rückkehr in die Gegenwart. »Ich bin der gleichen Meinung wie Dr. Holdenfield. Die mögliche Bedeutung der vier Zeilen im Vergleich zu acht war mir nicht aufgefallen, aber sie leuchtet mir ein. Eins würde ich noch gern hinzufügen.
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