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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Farmhauses war erfüllt von schattenlosem, kühlem Licht aus einem erweiterten Fenster an der Nordwand. Er starrte hinaus in die bukolische Landschaft. Durch eine Lücke in dem Ahornwäldchen hinter der Wiese schimmerten in der Ferne bläuliche Berge. Das erinnerte ihn erneut an die Äpfel, und er kehrte in die Küche zurück.

    Während er noch unentschlossen dastand, kam Madeleine herein.
    »Und, wie geht es weiter mit Mellery?«, fragte sie.
    »Ich hab mich noch nicht entschieden.«
    »Warum nicht?«
    »Na ja … dir wär’s doch bestimmt nicht recht, wenn ich mich mit so was rumschlage, oder?«
    »Das ist doch nicht das Problem.« Wieder einmal bewies sie ihren bewundernswerten Scharfsinn.
    »Du hast Recht«, räumte er ein. »Ich glaube, das Problem ist, dass ich noch überhaupt nichts klar einsortieren kann.«
    Sie schenkte ihm ein verständnisvolles Lächeln.
    Ermutigt fuhr er fort. »Ich arbeite nicht mehr bei der Mordkommission, und er ist kein Mordopfer. Ich bin mir also nicht sicher, was ich bin und was er ist.«
    »Ein alter Studienfreund?«
    »Aber was bedeutet das? Er erinnert sich an eine Nähe zwischen uns, die ich nie empfunden habe. Außerdem braucht er keinen Freund, sondern einen Leibwächter.«
    »Er will Onkel Dave.«
    »Das bin ich nicht.«
    »Bestimmt?«
    Er seufzte. »Willst du, dass ich mich auf diese Mellery-Geschichte einlasse, oder nicht?«
    »Du hast dich doch schon darauf eingelassen. Vielleicht hast du das Ganze noch nicht richtig auseinandersortiert. Du bist kein richtiger Polizist, er ist kein richtiges Opfer. Aber es gibt ein Rätsel, und irgendwann wirst du die Puzzleteilchen zusammensetzen. Darauf läuft es doch immer hinaus.«
    »Soll das ein Vorwurf sein? Du hast einen Detective geheiratet. Ich hab mich nie als was anderes ausgegeben.«

    »Ich dachte nur, es besteht vielleicht ein Unterschied zwischen einem Detective und einem pensionierten Detective.«
    »Ich bin jetzt seit über einem Jahr im Ruhestand. Sieht irgendwas von dem, was ich mache, nach Polizeiarbeit aus?«
    Sie schüttelte den Kopf, wie um auszudrücken, dass die Antwort auf der Hand lag. »In welche Tätigkeiten steckst du Zeit, die nicht nach Polizeiarbeit aussehen?«
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Machen alle Leute Porträts von Mördern?«
    »Das ist eben ein Thema, mit dem ich mich auskenne. Soll ich vielleicht Gänseblümchen zeichnen?«
    »Gänseblümchen wären besser als gemeingefährliche Wahnsinnige.«
    »Du hast mich doch in diese Kunstsache eingeführt.«
    »Ach, verstehe. Ich bin also schuld, dass du an einem wunderschönen Herbstvormittag in die Augen eines Serienkillers schaust?«
    Die Spange, mit der sie das Haar nach oben gesteckt hatte, schien ihren Halt zu verlieren, und mehrere dunkle Strähnen, die ihr in die Augen fielen, ohne dass sie darauf achtete, verliehen ihr auf einmal etwas Gequältes, das ihn berührte.
    Er holte tief Atem. »Worum streiten wir hier eigentlich?«
    »Find’s raus. Du bist der Detective.«
    Während er sie so betrachtete, verebbte sein Interesse daran, die Auseinandersetzung zu vertiefen. »Ich muss dir was zeigen. Bin gleich wieder da.«
    Er verließ das Zimmer und kam kurz darauf mit seiner Niederschrift des Gedichts zurück, das ihm Mellery am Telefon diktiert hatte.

    »Was hältst du davon?«
    Ein Außenstehender hätte vielleicht geglaubt, dass sie nur einen flüchtigen Blick darauf warf, so schnell hatte sie es gelesen. »Klingt ernst.« Sie reichte es ihm zurück.
    »Finde ich auch.«
    »Was hat er deiner Meinung nach getan? «
    »Gute Frage. Das Wort ist dir also auch aufgefallen.«
    Sie zitierte die betreffende Strophe: »›Ich tu, was ich tat, nicht etwa aus Spaß, und auch nicht für Geld. Das ist nicht mein Maß.‹«
    Wieder einmal fiel Gurney auf, dass Madeleine praktisch ein fotografisches Gedächtnis hatte.
    »Was hat er also getan , und was will er tun? « Ihr Ton war rhetorisch und machte jede Antwort überflüssig. »Du wirst es bestimmt rausfinden. Nach dem Brief zu urteilen, kriegst du am Ende sogar noch einen Mord zu lösen. Dann kannst du Beweise sammeln, Spuren verfolgen, den Täter fassen, sein Porträt malen und es Sonya für ihre Galerie überlassen. Damit schließt sich dann der Kreis.«
    Ihr Lächeln wirkte geradezu gefährlich.
    Bei solchen Gelegenheiten kam ihm immer die Frage in den Sinn, mit der er sich am wenigsten beschäftigen wollte: War der Umzug nach Delaware County ein Fehler gewesen?
    Wahrscheinlich hatte er sich

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