Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
Verbindung, warum das Blut die rote Farbe einer gemalten Rose hatte. Er versuchte, sich an den genauen Wortlaut des dritten Gedichts zu erinnern. Ich tu, was ich tat, nicht etwa aus Spaß,/Und auch nicht für Geld. Das
ist nicht mein Maß./ Nein, die Waage ist neu zu eichen,/ Durch Buße endlich Balance zu erreichen./ Ich tu es für Blut in der makellosen/Roten Farbe gemalter Rosen./ Erkenne es nun, erkenne es jetzt:/ Was einst man gesät, bekommt man zuletzt. Eine Rose war ein Symbol für die Farbe Rot. Was fügte er hinzu, wenn er von einer gemalten Rose sprach? Sollte es dadurch noch röter klingen? Oder mehr wie Blut?
Gurneys Freude auf sein Zuhause wurde noch verstärkt durch seinen Hunger. Es war schon Mittag vorbei, und der morgendliche Kaffee bei Abelard’s war alles, was er an diesem Tag zu sich genommen hatte.
Während Madeleine übel wurde, wenn zwischen den Mahlzeiten zu viel Zeit verging, wurde er mäkelig - ein Zustand, den man an sich selbst schwer wahrnehmen konnte. Gurney hatte mehrere Barometer für eine Einschätzung seiner Stimmung entdeckt. Eines davon lag an der westlichen Seite der Straße, gleich am Rand von Walnut Crossing. In der Galerie Camel’s Hump wurden Arbeiten von Malern, Bildhauern und anderen kreativen Geistern der Gegend ausgestellt. Ihre barometrische Funktion war ganz einfach. An einem guten Tag löste ein Blick ins Schaufenster Freude über die Exzentrizität seiner künstlerischen Nachbarn aus, an einem schlechten Tag die Einsicht, dass sie alle furchtbar hohl waren. Heute wirkte alles hohl. Als er die Abzweigung zu Frau und Herd nahm, beschloss er also, sich jede entschiedene Wortmeldung zweimal zu überlegen.
Die auf dem Highway und in den tiefer gelegenen Teilen des Tals längst verwehten Überreste des morgendlichen Schneegestöbers zogen sich noch als vereinzelte Flecken an der Staubstraße hin, die sich durch eine Senke in den Hügeln wand und an der Scheune der Gurneys
endete. Die schiefergrauen Wolken tauchten die Wiese in trostloses, winterliches Licht. Mit einem Anflug von Ärger bemerkte er, dass der Traktor aus der Scheune gefahren und neben dem Schuppen abgestellt worden war, in dem die Anhänger standen: der Buschmäher, der Pfostenlochbohrer, die Schneefräse. Die offen stehende Schuppentür verwies in unerfreulicher Weise auf bevorstehende Arbeit.
Er betrat das Haus durch die Küchentür. Madeleine saß in der hinteren Ecke des Raums am Kamin. Der Teller auf dem Tisch - mit Apfelgehäuse, Traubenstielen, Cheddarklümpchen und Brotkrumen - ließ darauf schließen, dass vor kurzem ein feines Mittagessen verspeist worden war. Das erinnerte ihn an seinen Hunger, und seine innere Feder spannte sich noch stärker. Mit einem schwachen Lächeln blickte sie von ihrem Buch auf.
Am Ausguss ließ er das Wasser laufen, bis es so kühl war, wie er es liebte. Er spürte ein Gefühl von Aggression - Trotz gegen Madeleines Meinung, dass es nicht gesund war, eiskaltes Wasser zu trinken - und dann Verlegenheit über die Kleinlichkeit, Feindseligkeit und Infantilität, mit der er sich in diesen Scheinkonflikt hineinsteigerte. Es drängte ihn, das Thema zu wechseln, doch dann wurde ihm klar, dass es noch gar kein Thema gab.
Dennoch ergriff er das Wort. »Ich sehe, du hast den Traktor zum Schuppen gefahren.«
»Ich wollte die Schneefräse ankuppeln.«
»Hat es ein Problem gegeben?«
»Ich dachte, wir machen sie besser dran, bevor ein echter Schneesturm kommt.«
»Ich meine, ein Problem beim Ankuppeln?«
»Sie ist schwer. Ich habe lieber gewartet, damit du mir helfen kannst.«
Er nickte vage. Immer das gleiche Spiel , dachte er. Du fängst mit einer Arbeit an, weißt aber genau, dass du es nicht kannst, und zwingst mich so, dass ich die Sache zu Ende bringe. Da er sich der Gefahren seiner Stimmung bewusst war, zog er es vor, nichts zu sagen. Er füllte sein Glas mit dem eisigen Wasser aus dem Hahn und trank es ohne Eile leer.
Madeleine senkte den Blick auf ihr Buch. »Die Frau aus Ithaca hat angerufen.«
»Frau aus Ithaca?«
Sie ignorierte die Frage.
»Meinst du Sonya Reynolds?«
»Richtig.« Ihre Stimme klang desinteressiert.
»Was wollte sie?«
»Gute Frage.«
»Was soll das heißen?«
»Es soll heißen, dass sie mir nicht erklärt hat, was sie will. Sie hat gesagt, du kannst sie jederzeit anrufen - bis Mitternacht.«
Er nahm eine deutliche Schärfe im letzten Wort wahr. »Hat sie eine Nummer hinterlassen?«
»Anscheinend denkt sie, du hast sie.«
Erneut
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