Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number
Sturschädel von einem Bullen anfängt, an Türen zu klopfen und alten Schlamm aufzuwühlen? Mein Gott, hast du schon mal das Gefühl gehabt, dass dir der Boden unter den Füßen weggezogen wird?«
»Wir reden hier doch bloß davon, ein paar Namen aufzuschreiben. Das hilft dir, damit du wieder Boden unter den Füßen spürst. Wenn du nicht willst, musst du die Namen ja niemandem zeigen. Aber es ist nützlich, glaub mir.«
Mellery nickte benommen.
»Du sagst, nicht all deine Gäste sind der Inbegriff geistiger Gesundheit.«
»Damit wollte ich nicht andeuten, dass wir hier eine psychiatrische Anstalt führen.«
»Davon gehe ich aus.«
»Und auch nicht, dass unsere Gäste mit ihren emotionalen Problemen über dem Durchschnitt liegen.«
»Aber was sind das für Leute, die hierherkommen?«
»Leute mit Geld, die nach Seelenfrieden suchen.«
»Und, finden Sie ihn?«
»Ich glaube schon.«
»Gibt es neben ›reich‹ und ›unruhig‹ noch andere Begriffe, die deine Klientel beschreiben?«
Mellery zuckte die Achseln. »Unsicher, trotz der aggressiven Persönlichkeit, die mit dem Erfolg einhergeht. Sie mögen sich selbst nicht - das ist das Hauptproblem, mit dem wir uns hier beschäftigen.«
»Welcher deiner aktuellen Gäste wäre deiner Meinung nach in der Lage, dich physisch anzugreifen?«
»Wie bitte?«
»Was weißt du eigentlich genau über die einzelnen Leute, die zurzeit hier sind? Oder die Leute, die sich für den kommenden Monat angemeldet haben?«
»Wenn du von einer Leumundsprüfung sprichst, so was machen wir nicht. Wir wissen, was sie uns erzählen oder was andere erzählen, die sie an uns verweisen. Manches ist eher lückenhaft, aber wir schnüffeln nicht in ihrem Leben herum. Wir begnügen uns mit dem, was sie uns freiwillig mitteilen.«
»Was für Leute sind im Augenblick hier?«
»Ein Immobilienhändler aus Long Island, eine Hausfrau aus Santa Barbara, ein Mann - vielleicht der Sohn von jemandem, der vielleicht der Chef eines kriminellen Clans ist -, ein charmanter Chiropraktiker aus Hollywood, ein Rockstar, der unerkannt bleiben will, ein Investmentbanker in den Dreißigern, der bereits im Ruhestand ist, und noch ein Dutzend andere.«
»Und diese Leute streben nach spiritueller Erneuerung? «
»Auf die eine oder andere Weise haben sie die Grenzen des Erfolgs entdeckt. Noch immer leiden sie unter Ängsten, Obsessionen, Schuld- und Schamgefühlen. Sie haben gemerkt, dass alle Porsches und Prozac-Pillen dieser Welt ihnen nicht den Frieden geben, den sie suchen.«
Bei der Erinnerung an Kyles Porsche spürte Gurney einen leisen Stich. »Deine Mission ist also, dass du den Reichen und Berühmten innere Ruhe bringst?«
»Sicher, man kann sich leicht darüber lustig machen. Aber ich war nicht aufs Geld aus. Offene Türen und offene Herzen haben mich hierhergeführt. Meine Klienten haben mich gefunden, nicht umgekehrt. Ich habe es nie darauf angelegt, zum Guru von Peony Mountain zu werden.«
»Trotzdem, es steht viel auf dem Spiel für dich.«
Mellery nickte. »Unter anderem wohl mein Leben.« Er starrte in das niederbrennende Feuer. »Kannst du mir einen Rat geben, wie ich mit dem Anruf heute Abend umgehen soll?«
»Lass ihn möglichst lange reden.«
»Damit der Anruf zurückverfolgt werden kann?«
»So funktioniert die Technik nicht mehr. Du hast dir alte Filme angesehen. Nein, es geht um was anderes. Je mehr er sagt, desto mehr verrät er vielleicht, und desto besser sind die Chancen, dass du seine Stimme erkennst.«
»Und wenn ich sie erkenne, soll ich ihm sagen, dass ich weiß, wer er ist?«
»Nein. Es kann ein Vorteil sein, etwas über ihn zu wissen, von dem er keine Ahnung hat. Du musst nur ruhig bleiben und das Gespräch in die Länge ziehen.«
»Bist du heute Abend zu Hause?«
»Das habe ich vor - allein schon im Interesse meiner Ehe. Warum fragst du?«
»Weil mir gerade eingefallen ist, dass unsere Telefonanlage noch eine weitere Sonderfunktion hat, die wir nie benutzen. Eine spezielle Form von Telefonkonferenz mit dem Namen Ricochet. Damit kann man einen Dritten dazuschalten, nachdem jemand angerufen hat.«
»Und?«
»Bei einer normalen Telefonkonferenz müssen alle Teilnehmer von einem Ausgangsanschluss angewählt werden. Das wird vom Ricochet-System umgangen. Wenn jemand anruft, kann man vom eigenen Anschluss einen Dritten anwählen und dazuschalten, ohne die Verbindung mit dem Anrufer zu unterbrechen und ohne dass er etwas merkt. Man hat es mir so beschrieben, dass zu
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