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Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number

Titel: Die Handschrift des Todes - Verdon, J: Handschrift des Todes - Think of a number Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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Schmitt, ich bin Detective Clamm. Erinnern Sie sich an mich?«
    »Hallo.« Sie sprach das Wort aus, als würde sie es aus einem Fremdsprachenführer ablesen.
    »Ich war gestern schon mal hier.«
    »Ich erinnere mich.«
    »Wir müssen Ihnen noch ein paar Fragen stellen.«
    »Sie wollen mehr über Albert wissen?«
    »Ja, auch. Dürfen wir reinkommen?«
    Ohne eine Antwort wandte sie sich ab und durchquerte das direkt hinter der Tür beginnende kleine Wohnzimmer,
um sich auf einem Sofa niederzulassen, das unter ihrer Körpermasse zu schrumpfen schien.
    »Setzen Sie sich.«
    Die beiden Männer blickten sich um. Keine Stühle. Die einzigen anderen Gegenstände in dem Raum waren ein lächerlich verschnörkelter Couchtisch mit rosa Plastikblumen in einer billigen Vase darauf, ein leeres Bücherregal und ein Fernsehgerät, dessen Größe auch für einen Ballsaal gereicht hätte. Der nackte Sperrholzboden war sauber bis auf einige verstreute Kunstfasern. Gurney schloss daraus, dass der Teppich, auf dem der Tote gelegen hatte, zur forensischen Untersuchung ins Labor gebracht worden war.
    »Wir müssen uns nicht setzen«, antwortete Clamm, »es dauert nicht lang.«
    »Albert hat gern Sport geschaut.« Mit leerer Miene lächelte Mrs. Schmitt den überdimensionierten Fernseher an.
    Ein Bogen auf der linken Seite des Wohnzimmers führte zu drei Türen. Hinter einem waren die Ballergeräusche eines Videospiels zu hören.
    »Das ist Jonah. Jonah ist mein Sohn. Das ist sein Zimmer.«
    Gurney fragte nach dem Alter des Jungen.
    »Zwölf. In manchen Dingen älter, in anderen jünger.« Es klang, als wäre ihr das zum ersten Mal eingefallen.
    »War er bei Ihnen?«, fragte Gurney.
    »Was meinen Sie damit, dass er bei mir war?« Die bizarre Anzüglichkeit in ihrer Stimme jagte Gurney einen Schauer über den Rücken.
    Gurney bemühte sich, sich nichts von seinen Gefühlen anmerken zu lassen. »Ich meine, war er mit Ihnen bei dem Gottesdienst an dem Abend, als Ihr Mann getötet wurde?«

    »Er hat in Jesus Christus seinen Herrn und Erlöser gefunden.«
    »Heißt das, er war bei Ihnen?«
    »Ja, das habe ich dem anderen Polizisten schon erzählt.«
    Gurney setzte ein wohlwollendes Lächeln auf. »Manchmal hilft es uns, wenn wir die Sachen mehrmals durchgehen.«
    Sie nickte in tiefstem Einverständnis. »Er hat zu Jesus Christus gefunden.«
    »Hat Ihr Mann auch zu Jesus Christus gefunden?«
    »Ich glaube schon.«
    »Sie sind sich nicht sicher?«
    Sie drückte die Augen fest zu, als müsste sie die Antwort auf der Innenseite der Lider suchen. »Satan ist mächtig, und verschlagen sind seine Wege.«
    »Ja, wirklich verschlagen, Mrs. Schmitt.« Gurney zog den Couchtisch mit den rosafarbenen Blumen ein Stück beiseite und setzte sich ihr zugewandt auf dessen Rand. Er hatte die Erfahrung gemacht, dass man mit den Leuten am besten in ihrer Sprache redete, auch wenn nicht abzusehen war, wohin das Ganze führen würde. »Verschlagen und schrecklich.« Er behielt sie genau im Auge.
    »Der Herr ist mein Hirte«, sagte sie, »mir wird nichts mangeln.«
    Clamm räusperte sich und verlagerte das Gewicht.
    »Können Sie mir erzählen«, fuhr Gurney fort, »auf welche verschlagene Weise sich Satan Albert genähert hat?«
    »Es ist der Aufrechte, den Satan verfolgt«, rief sie plötzlich, »denn über den Bösen hat er schon Macht.«
    »Und Albert war ein aufrechter Mann?«
    »Jonah!« Sie erhob sich von der Couch und sauste mit
erstaunlicher Geschwindigkeit durch den Bogen auf der linken Seite. Sie knallte die flache Hand gegen eine Tür. »Mach auf! Sofort! Mach die Tür auf!«
    »Was ist denn jetzt los?«, entfuhr es Clamm.
    »Ich hab gesagt, sofort, Jonah!«
    Ein Schloss schnappte, und in der halb geöffneten Tür erschien ein Junge, der fast so gewaltig wie seine Mutter war und ihr auch sonst verstörend ähnlich sah - bis hin zu dem merkwürdig benommenen Ausdruck der Augen. Gurney fragte sich, ob Gene oder Medikamente die Ursache waren. Der Bürstenhaarschnitt des Jungen war schneeweiß gebleicht.
    »Ich hab dir gesagt, du sollst die Tür nicht abschließen, wenn ich zu Hause bin. Und dreh die Lautstärke runter. Das klingt ja, als würde da drin jemand abgeschlachtet.« Dass die Bemerkung angesichts der Umstände vielleicht nicht unbedingt taktvoll war, schien weder Mutter noch Sohn aufzufallen. Ohne Interesse musterte der Junge Gurney und Clamm. Wahrscheinlich hatte sich die Familie so sehr an das Eingreifen sozialer Dienste gewöhnt, dass offiziell

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